Finnland:Meister des Drahtseilakts

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Ein Mann, der für alle annehmbar ist: Der finnische Präsident Sauli Niinistö kann als erster finnischer Präsident am Sonntag auf Wiederwahl hoffen.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Der finnische Präsident Sauli Niinistö, 69, wird noch mal Vater, im Februar ist es so weit. Aber vorher möchte er wiedergewählt werden, am kommenden Sonntag stimmen die Finnen ab. Zwar bewerben sich neben ihm sieben weitere Kandidaten. Doch Sauli Niinistö führt die Umfragen so deutlich an, dass wohl nur noch die Frage ist, ob es überhaupt eine Stichwahl geben wird oder Niinistö auf Anhieb mehr als die Hälfte der Stimmen holt. Er wäre der Erste, dem dies gelingt, seitdem die Finnen ihren Präsidenten direkt wählen.

Sein Kind wäre dann wohl das erste Baby, das ein amtierender finnischer Präsident bekommt. "Jetzt ist das Spiel für die anderen Kandidaten endgültig vorbei", twitterte Erkka Railo, Politikwissenschaftler und Kommentator für den öffentlich-rechtlichen Sender Yle, nach der Schwangerschaftsmeldung. "Ihr könnt genauso gut nach Hause gehen."

Seinem Rat ist niemand gefolgt, alle Herausforderer treten am Sonntag an. Der aussichtsreichste unter ihnen ist der grüne Politiker und frühere Umweltminister Pekka Haavisto. Gegen ihn musste Niinistö bereits vor sechs Jahren in die Stichwahl, damals war Pekka Haavistos Erfolg die große Überraschung. Er war der erste grüne Kandidat, der es in die zweite Runde schaffte, zudem der erste offen schwule Politiker und der erste, der keinen Wehrdienst absolviert hat. In diesem Jahr wäre es eine Überraschung, wenn überhaupt jemand Niinistö in die Stichwahl zwingen könnte. Drei Tage vor der Abstimmung führte er in Umfragen mit 63 Prozent, Pekka Haavisto kam mit 14 Prozent auf Platz zwei.

Die Hauptaufgaben des finnischen Präsidenten sind Außenpolitik und Verteidigungsfragen, allerdings muss er sich mit der Regierung absprechen. Sein Job ist über die Jahrzehnte immer weiter beschnitten worden. Zuletzt hat Niinistös Vorgängerin das Privileg verloren, Finnland bei EU-Treffen zu vertreten. Damit es kein Kompetenzgerangel mit dem Premier- und dem Außenminister gibt, muss Niinistö sich nun heraushalten aus der Europolitik. Er kann sich also auf das konzentrieren, was immer Hauptaufgabe finnischer Präsidenten war: die Beziehungen zu Russland. In Zeiten des Kalten Krieges hat vor allem Präsident Urho Kekkonen diesen Balanceakt perfektioniert, ist auf die Wünsche Moskaus eingegangen, um Finnlands Freiheit zu sichern. Gleichzeitig rückte er langsam dem Westen näher.

Auch Sauli Niinistö beherrscht seinen Drahtseiltakt, doch der sieht heute anders als zu Sowjetzeiten. Niinistö betont stets, dass Finnland zu Europa gehört. Gleichzeitig hat er sich oft mit Russlands Präsident Wladimir Putin getroffen. Er will, dass Finnland in Verteidigungsfragen eng mit den europäischen Nachbarn zusammenarbeitet und wünscht sich eine stärkere EU- Sicherheitspolitik. Gleichzeitig lässt er die Frage nach dem Nato-Beitritt offen.

Niinistö, der früher Richter war und verschiedene Ministerposten innehatte, ist ein Konservativer. Für seine erste Amtszeit hatte ihn die Nationale Sammlungspartei nominiert, die den Nato-Beitritt befürwortet. Der Präsident weiß jedoch, dass die Mehrheit der Finnen dagegen ist. Also bezieht er keine Position, bleibt so für alle wählbar. Er hat die Parteipolitik hinter sich gelassen. Der 69-Jährige hat es geschafft, als Mann des Volkes zu gelten. Das gilt umso mehr, seit der Witwer wieder geheiratet hat und nun mit dem Baby viele Finnen verzückt.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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