Finanzminister mahnt Kabinettskollegen:Der Reiz der vollen Kasse

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Die Arbeitsministerin will 100 000 Jobs schaffen, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. (Foto: Oliver Killig/dpa)

Viele Minister wollen mehr Geld, doch Schäuble bleibt hart: Vorrang habe die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Doch gerade damit verbinden sich viele Forderungen.

Von Michael Bauchmüller und Constanze von Bullion, Berlin

Wolfgang Schäuble hat keinen leichten Stand dieser Tage. Einerseits soll der Finanzminister von der CDU mehr als zwölf Milliarden Euro an Rücklagen im Haushalt zusammenhalten. Andererseits wimmelt es in den Bundesministerien nur so an Ideen, was sich mit zusätzlichen Mitteln so alles bewerkstelligen ließe, zumal in Zeiten vieler Zuwanderer. In gut zwei Wochen will sich das Bundeskabinett mit dem Haushalt von 2017 befassen - und Wünsche gibt es schon jetzt zuhauf.

Für Schäuble ist das offenbar der richtige Zeitpunkt, seine Kabinettskollegen zu ermahnen. In einem Brief, aus dem die Welt am Sonntag zitiert, verlangt der Finanzminister nun Disziplin. Das Management der Zuwanderung von Flüchtlingen gehe nun vor. "Die Finanzierung der damit verbundenen Maßnahmen hat für die Bundesregierung oberste Priorität", heißt es. "Andere Politikbereiche müssen sich unterordnen." Auch dürfe die Bundesregierung "den Gesichtspunkt der Effizienz nicht aus den Augen verlieren".

Zuletzt hatte sich Schäuble vor allem mit SPD-Chef Sigmar Gabriel gestritten. Der hatte einen "Solidarpakt für Deutschland" verlangt, für sozial schwache Inländer. Schäuble lehnt das ab, ebenso Kanzlerin Angela Merkel. Gabriel erneuerte seine Forderung bei einer SPD-Veranstaltung in Gelsenkirchen: "Es gibt Menschen, die Sorgen haben, dass wir sie jetzt aus dem Blick verlieren", sagte er. Damit stehe Deutschland vor einer doppelten Integrationsaufgabe. "Die zu integrieren, die kommen, aber auch die beieinanderzuhalten, die da sind", sagte der SPD-Chef. In einer "Gelsenkirchener Erklärung" verlangten die Spitzen der nordrhein-westfälischen SPD ein stärkeres Engagement des Bundes. Dieser müsse "seiner Verantwortung noch stärker gerecht werden", heißt es darin, vor allem mit Blick auf Investitionen in Bildung, Arbeitsplätze und den Wohnungsbau.

Allein Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) fordert zwei Milliarden Euro mehr

Solche Begehrlichkeiten gibt es längst. Allein Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) fordert zwei Milliarden Euro zusätzlich. "Wir brauchen nicht nur mehr Angebote, um die Integration von Flüchtlingskindern sicherzustellen. Wir brauchen für alle Kinder den besseren Ausbau von Krippen, Kitas und der Ganztagsbetreuung in Schulen", sagte Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek der Süddeutschen Zeitung.

Die Mittel für das Sprachkita-Programm, das noch von Schwesigs Vorgängerin stammt, will das Familienministerium verdoppeln. Mehrbedarf: 100 Millionen Euro im Jahr. Kindertagesstätten, so argumentiert man im Hause Schwesig, seien wichtige Schnittstellen, wenn Kinder von Flüchtlingen wie Einheimischen später in Schule und Ausbildung mithalten sollten. Den Ländern wurde für Kitas zwar schon das abgeschaffte Betreuungsgeld zugesprochen, fast eine Milliarde Euro. 2019 aber ist damit Schluss, dann soll nach Schwesigs Wunsch der Bund den Ländern 750 Millionen im Jahr für Kitas zuschießen. 70 Millionen Euro mehr seien für Projekte gegen Extremismus nötig, 30 Millionen mehr für Flüchtlingskinder-Patenschaften, fast acht Millionen für die stark ansteigende Zahl schwangerer Flüchtlinge. Bis zu 1,5 Milliarden fordert das Familienministerium für den Ganztagsbetrieb in Grundschulen. Dafür ist das Ministerium eigentlich gar nicht zuständig.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) wiederum möchte 100 000 kleine Jobs schaffen, um Flüchtlingen zu einer Beschäftigung zu verhelfen. Kosten: 450 Millionen Euro, verbunden mit einem "Integrationsfördergesetz", das auch Pflichten für Zuwanderer enthalten soll. "Die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist nicht zum Nulltarif zu haben", sagte eine Ministeriumssprecherin. "Das ist allen Beteiligten klar."

Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) will den sozialen Wohnungsbau aufstocken, von derzeit einer auf zwei Milliarden Euro. Ziel sei es, die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt zu minimieren, sagte sie. Zusätzliche 300 Millionen Euro sollen 2017 in das Programm "Soziale Stadt" fließen, das Problemviertel aufwerten soll - derzeit stehen dafür jährlich 140 Millionen Euro bereit. Den Verhandlungen über ihre 1,3-Milliarden-Forderung sieht Hendricks gelassen entgegen. "Der Bundeshaushalt hat nach unserer Einschätzung die nötigen Reserven", sagte sie. Und Justizminister Heiko Maas (SPD) verlangt laut Welt am Sonntag 20 Millionen Euro extra. Das Geld solle helfen, Flüchtlinge über Verbraucherschutz aufzuklären.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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