Finanzkrise in Europa:Kabinett will umstrittenen Euro-Rettungsschirm stärken

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Für 780 Milliarden Euro werden die Euro-Länder geradestehen müssen, wenn der Euro-Rettungsschirm ausgeweitet wird. Deutschland soll davon ein Viertel übernehmen. Das Bundeskabinett hat jetzt das vieldiskutierte Gesetz auf den Weg gebracht. Die Rechte des Parlaments wurden allerdings noch nicht geregelt.

Die Bundesregierung hat die von den Euro-Regierungen vereinbarten Verbesserungen am Euro-Rettungsschirm EFSF auf den parlamentarischen Weg gebracht. Das Kabinett verabschiedete nach Angaben von Teilnehmern Änderungvorschläge an dem Gesetz, mit dem der Rettungsschirm im deutschen Recht verankert ist.

Angela Merkel war zufrieden: Das Kabinett hat das Gesetz zum umstrittenen Euro-Rettungsschirm auf den Weg gebracht. (Foto: Getty Images)

Die Gesetzesnovelle selbst bringen die Fraktionen von Union und FDP in den Bundestag ein, damit ein schnelleres Verfahren in Bundesrat und Bundestag möglich ist. Bis Ende September soll das Gesetz durchgewinkt werden. Unter anderem werden die Garantien der Euro-Länder für den Rettungsschirm von 440 Milliarden auf 780 Milliarden Euro erhöht. Deutschland übernimmt davon 211 Milliarden, also gut ein Viertel.

Dadurch wird sichergestellt, dass die Spitzenbonität des Rettungsschirms am Kapitalmarkt stets gewahrt bleibt. Zudem bekommt die EFSF neue Instrumente in die Hand, um die Ansteckungsgefahren der Schuldenkrise eindämmen zu können. So soll die EFSF künftig Staatsanleihen direkt bei den Regierungen oder an den Börsen kaufen und dadurch die Kurse der Papiere stabilisieren können.

Zudem soll sie den Regierungen besondere Kredite bereitstellen können, um die Banken zu rekapitalisieren. Außerdem können Euro-Länder eine Kreditlinie beantragen, die sie aber nicht ausschöpfen müssen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble würdigte die geplante Erweiterung des Rettungsschirms als wichtigen Schritt. Die Bundesregierung sei entschlossen, die Stabilität des Euro "mit einem schlagkräftigen Instrumentarium" zu sichern, sagte der CDU-Politiker.

Die auch in der schwarz-gelben Koalition heftig umstrittenen Beteiligungsrechte des Parlaments bei den Milliarden-Hilfen des EFSF wurden mit der vom Kabinett beschlossenen Formulierungshilfe noch nicht geregelt. Dies soll der Bundestag im weiteren Gesetzgebungsverfahren einbringen.

Zurzeit arbeiten die Fraktionen von Union und FDP an einem Stufenmodell, das bei weitreichenden Entscheidungen etwa über einen neuen Hilfsantrag einen Bundestagsbeschluss erfordert, ansonsten aber dem Haushaltsausschuss die Aufsicht überlässt.

Die FDP-Fraktion will beim EFSF die Rechte des Bundestages verteidigen. Fraktionschef Rainer Brüderle betonte, das Parlament müsse künftig grundsätzlich über jede neue Finanzhilfe für Euro-Länder abstimmen. "Es kann nicht gelten, dass Beschlüsse in schwächeren Ländern den Bundeshaushalt belasten", sagte Brüderle. Schuldensünder müssten sich mehr anstrengen und wettbewerbsfähiger werden.

Die Opposition sieht bei der Ausgestaltung der Euro-Rettung zudem weiterhin Klärungsbedarf. Wichtige Bedingungen seien in der schwarz-gelben Regierung noch strittig, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einer Unterrichtung der Fraktionen durch Kanzlerin Angela Merkel (CDU). So sei Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Finanztransaktionssteuer anderer Meinung als seine Kabinettskollegen. Zugleich bekräftigte Gabriel allerdings, dass seine Partei die vom Kabinett auf den Weg gebrachte Ausweitung des Rettungsfonds EFSF mittragen werde. Es müsse aber klar werden, dass die Zeche auch durch den Finanzsektor mitbezahlt werde.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier nannte das Hilfspaket notwendig, allerdings fehle noch das "Herzstück". Die Frage, inwieweit die parlamentarische Beteiligung künftig gewährleistet werde, sei ausgelassen worden. Es sei "bedauerlich", dass die Regierung darüber in den nächsten Tagen nur mit den Koalitionsfraktionen beraten wolle.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, es bestehe Konsens darüber, dass die Erneuerung des EFSF-Fonds zügig umgesetzt werden solle. Das Gesetzgebungsverfahren solle bis Ende September abgeschlossen werden. Mit Blick auf die künftige Parlamentsbeteiligung sagte Trittin, die Regierungsfraktionen hätten zugesagt, auf die Opposition zuzugehen und ein gemeinsames Verfahren zu verabreden.

Linken-Chef Klaus Ernst sagte, er habe in dem Gespräch mit der Kanzlerin vorgeschlagen, die Auflagenpolitik für die betroffenen Länder zu ändern. So müsse Griechenland seine Rüstungsausgaben reduzieren statt Sozialleistungen zu kürzen. Auch müssten die Reichen in dem Land stärker besteuert werden. Ernst nannte die Maßnahmen zur Bewältigung der Schuldenkrise ein "Fass ohne Boden". Es werde zu wenig auf die Ursachen der Krise eingegangen, nämlich die Abhängigkeit der Staatshaushalte von den Finanzmärkten, kritisierte der Linken-Politiker.

Spannend bleibt allerdings die Frage, ob es bei der entscheidenden Abstimmung im Bundestag für eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit reicht. Mehrere Abgeordnete aus Union und FDP haben angekündigt, nicht zustimmen zu wollen. Doch selbst falls die eigene Mehrheit verfehlt wird, bricht nach Ansicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach die Regierung nicht zusammen. "Warum sollte die Regierung dann am Ende sein", sagte Bosbach. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages bekräftigte, er selbst wolle gegen den EFSF stimmen. "Die Opposition wird sagen, das ist jetzt der Anfang vom Ende der Regierung. Na und? Nächste Woche haben wir wieder ein neues Thema auf der Tagesordnung."

Bosbach schätzte die Zahl der Kritiker in der Unionsfraktion auf "vielleicht ein paar Dutzend". Allerdings wisse auch er nicht, wer am Ende wirklich bei der Abstimmung im September mit Nein stimmen werde. Ausdrücklich verteidigte er seine Position, die an der Basis der Partei geteilt werde. Bosbach warnte vor einer glatten Zustimmung zu dem aufgestockten und reformierten Rettungsschirm. "Wir hätten die totale Abkoppelung in diesem Punkt der Meinungsbildung in der CDU/CSU-Fraktion von der Meinungsbildung an der Basis." Anders als Bosbach betonte Unions-Fraktionschef Volker Kauder in der Bild-Zeitung, dass er die Abstimmung über den EFSF nicht als Gewissensfrage ansehe.

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