Filmemacherin Mo Asumang im Interview:"Den Rechtsextremen wünsche ich echtes Selbstbewusstsein"

Lesezeit: 5 Min.

Mo Asumang trifft sich mit einem Vertreter des Ku-Klux-Klan. (Foto: Yoliswa Gärtig)

Wie es sich anfühlt, von einem Nazi umarmt zu werden: Die afrodeutsche Filmemacherin Mo Asumang trifft für ihren Film "Die Arier" auf NPD-Vertreter und Ku-Klux-Klan-Anhänger. Sie begegnet Menschen, die sie hassen - und entlarvt sie dadurch.

Von Antonie Rietzschel

Mo Asumag hat sich auf eine aufwühlende, eine teilweise schmerzhafte Reise begeben. Für ihren Film "Die Arier" macht sich die Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen auf die Suche nach Ariern und trifft dabei Rechtsextreme verschiedener Nationalitäten, in den USA beispielsweise Mitglieder des Ku-Klux-Klans. Bekannt wurde Asumang vor allem als Moderatorin. Dann begann sie, sich mit Rassismus und Rechtsextremismus zu beschäftigen. Auslöser war ein Lied der rechtsextremen Berliner Band White Aryan Rebels , in dem die 50-Jährige bedroht wird: "Diese Kugel ist für dich, Mo Asumang", lautet eine Liedzeile.

SZ.de: Tom Metzger ist Gründer der amerikanischen White Aryan Resistance. Wie hat es sich angefühlt, von ihm vor laufender Kamera umarmt zu werden - von einem Mann, der Ihnen ins Gesicht sagt, Schwarze hätten eine eindeutige Ähnlichkeit mit Affen?

Mo Asumang: Das war ein echtes Highlight. Ich will mit dem Film herausfinden, wie Rassismus funktioniert - und diese Umarmung war für mich der Beweis dafür, dass Tom Metzger gar nicht an diese ganzen rassistischen Theorien glaubt - zumindest nicht in dem Maße, wie er sie propagiert. Rassismus ist für ihn ein Geschäft, das sagt er auch selbst. Er verdient Geld, indem er beispielsweise eine Radiosendung im Internet ausstrahlt und dort Hass verbreitet. Nach der Umarmung sagt Metzger, er hoffe, dass keiner seiner Anhänger das sieht. Denn dann wäre er erledigt. Ich hoffe natürlich, dass möglichst viele die Szene sehen.

Sie mischen sich auf einer Demonstration unter Rechtsextreme und treffen sich mit dem Ku-Klux-Klan - alles Menschen, die S ie allein wegen Ihrer Hautfarbe hassen. Im Film sagen Sie, es sei Ihnen wichtig, diesen Hass zu verstehen. Warum?

Ich bin selbst betroffen - und war es mein Leben lang. Als ich zwei Jahre alt war, haben sie uns aus der Wohnung geschmissen, weil mein Vater schwarz ist. Es reicht langsam! Wir müssen ein Zeichen gegen Nazis setzen und Aufklärungsarbeit leisten, besonders unter Jugendlichen, die drohen, in die Szene abzurutschen. Dafür braucht es Kommunikation, Bücher - und Filme.

Sie setzen sich persönlichen Anfeindungen aus. Tom Metzger beleidigt Ihren Vater, wirft ihm vor, er habe seine Rasse aufgewertet, als er Sie mit einer Deutschen zeugte. Ist Ihr Einsatz gegen Diskriminierung das wert?

Solche Äußerungen tun sehr weh. In diesem Moment war ich tief verletzt, andererseits wollte ich den Film als Regisseurin zu Ende bringen. Nur, indem ich mich solchen Anfeindungen aussetze, kann ich zeigen, wie diese Menschen funktionieren, welche Ideologie sie haben und wie das bei mir ankommt. Der Zuschauer identifiziert sich immer mit der Hauptperson, in diesem Fall also mit mir. Er kann miterleben, wie sich das anfühlt, solche Sachen ins Gesicht gesagt zu bekommen.

Gleichzeitig zwingen Sie die Rechtsextremen dazu, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen. Sie fragen direkt bei der NPD nach, wie die Partei gedenkt, ihren Rückführungsplan für Ausländer umzusetzen.

Rechtsextreme leben ja oft in einem Paralleluniversum, in dem sie sich ein Hassbild zurechtschustern. Sie kennen die Leute nicht, die sie hassen. Wenn man einen Rechtsextremen fragt: Hast du schon mal mit einem Juden gesprochen oder mit einem Moslem?, würden die meisten Nein sagen. Was passiert aber, wenn jemand vor ihnen steht, der dieses Hassbild verkörpern soll, aber tatsächlich ganz anders ist?

Abgesehen von Anführern wie Tom Metzger wirken die Rechtsextremen in Ihrem Film vor allem verunsichert, bisweilen lächerlich. Der Ordner auf der NPD-Demo zum Beispiel, der versucht, Sie mit todernstem Blick abzudrängen, während Sie ihm nett ins Gesicht lächeln. Müssen wir Rechtsextreme gar nicht mehr so ernst nehmen?

Nein, das kann man nicht sagen. Alle zwei Wochen marschieren Nazis in Deutschland - man muss sie ernst nehmen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Sie klein zu machen und über sie zu lachen, kann aber auch eine Form sein, mit ihnen umzugehen. Das heißt allerdings nicht, dass das Problem damit gelöst wäre.

Sie sind in dem Film auf der Suche nach den Ariern. Sie finden sie in Iran: ein ursprünglich nomadisches Hirtenvolk, auf das der Begriff zurückgeht. Im Film sagt eine Iranerin mit Kopftuch, sie als Arierin verurteile Hitler - eine sehr starke Szene. Sie verwenden sie jedoch nicht gegen Ihre rechtsextremen Gesprächspartner. Warum?

Ich habe die Nazis bewusst in ihrer eigenen Gedankenwelt belassen, damit sie diese für mich vor der Kamera ausbreiten. Mir ist wichtig, dass der Zuschauer die Information bekommt. Im Prinzip denkt er sich die ganze Zeit: Mein Gott, wisst ihr denn nicht, wo die Arier wirklich herkommen? Der Zuschauer hat was in der Hand und das gibt ihm Kraft. Wir müssen dieses Wissen verbreiten, vor allem unter Schülern. Denn unter dem Begriff des Arischen verbünden sich Rechtsextreme weltweit.

Hatten Sie während der Dreharbeiten Angst?

Der Ku-Klux-Klan kam in einem Pick-up-Truck an. Da lagen Maschinengewehre auf dem Rücksitz. Das war der Punkt, an dem ich geschluckt habe. Zum Glück haben sie die Waffen nicht ausgepackt. Auch als ich da in der Dunkelheit gewartet habe, ging mir immer durch den Kopf, dass ich wie eine Zielscheibe bin: Zack-Bumm, weg bist du. Sowas flackert kurz auf, aber dann bin ich auch wieder ganz schnell bei mir und den positiven Gedanken: dass ich was bewegen will, dass ich diesen Menschen nichts Böses will.

Dabei hätten sie allen Grund dazu, sich zu fürchten.

Ich spreche mit jedem Menschen auf dieselbe Art und Weise, auch wenn er Rassist ist. Ich stecke den nicht gleich in eine Schublade, so wie er es mit mir macht, sondern versuche meine Offenheit zu behalten. Das ist der größte Kampf. Den Rechtsextremen wünsche ich echtes Selbstbewusstsein. Dass sie nicht andere für ihre Probleme verantwortlich machen, sondern sie selbst in die Hand nehmen. Das ist purer Eigennutz: Wer selbstbewusst ist, feindet mich nicht an.

Während der Recherche zu Ihrem Film haben Sie herausgefunden, dass Ihre Großmutter Schreiberin bei der Waffen-SS war - die Frau, die Sie großgezogen hat. Waren Sie geschockt?

Das war schon komisch. Aber das Gefühl, von ihr großgezogen worden zu sein, war noch viel stärker. Ich habe mich nur an die positiven Dinge erinnert. Ohne sie wäre ich nicht so stark geworden. Wie sie da reingekommen ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist sie angeheuert worden von der SS. Ich kann nur hoffen, dass sie keine andere Wahl hatte und diese Ideologie nicht geteilt hat. So wie ich sie erlebt habe, war sie eine offene Frau.

Sie wollte sich vor eine Straßenbahn werfen, als sie erfuhr, dass ihre Tochter das Kind eines Schwarzen bekommt.

Meine Großmutter ist in der Nazizeit groß geworden - sie wurde von morgens bis abends mit Hass zugeschüttet. Das geht nicht spurlos an jemandem vorbei. Als sie mich sah, hat die Mutter in ihr reagiert. Da war keine Ideologie, die das hätte zerstören können.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, diesen Teil Ihres Lebens in den Film einzubringen?

Ich wollte zeigen, dass sogar ich als Afrodeutsche eine Verknüpfung in die Nazizeit habe. Für mich beinhaltet das einen Auftrag: Etwas gegen Rassismus zu tun - nicht nur wegen meiner Hautfarbe, sondern auch, weil ich Deutsche bin.

Arte zeigt den Film "Die Arier" am 29. April um 22 Uhr.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: