FDP:Aus den Fluten des Rheins

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Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sieht die Zeit gekommen, die Wiedergeburt seiner Partei auszurufen.

Von Gianna Niewel

"Das beste Ergebnis": FDP-Chef Christian Lindner bejubelt den Wahlsieg seiner Partei. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Zollhafen 11, Düsseldorf, kurz nach 18 Uhr flimmern die ersten Prognosen über den Bildschirm. SPD, CDU, Grüne. Dann FDP - 12,2 Prozent. Jubel, Klatschen, Umarmungen. Ende März hatte es die FDP im Saarland nur auf 3,3 Prozent geschafft, am vergangenen Wochenende hat Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein immerhin 11,5 Prozent geholt. Ein beachtliches Ergebnis, ein Aufschwung. Und auch nach Düsseldorf waren die Liberalen gekommen, um die Partei und deren Spitzenkandidaten Christian Lindner zu feiern.

Lindner dürfte das Ergebnis ein Gefühl von politischer Gestaltungsmacht vermitteln. Eine Ampel gemeinsam mit SPD und Grünen hatte er bereits auf dem Parteitag vor sechs Wochen per Beschluss ausschließen lassen. Aber auch für die CDU werde die FDP nicht billig zu haben sein, hatte Lindner schon angekündigt, noch bevor sich das Ergebnis abzeichnete: "Wir werden nicht mehr als Hilfstruppe für Rote oder Schwarze zur Verfügung stehen." Wenn es im Laufe des Abends allerdings noch enger wird für die Linke, könnte es womöglich sogar für eine schwarz-gelbe Koalition reichen.

Hilfstruppe? Ein anderes Wort wird ihm einfallen. Seitdem die FDP 2013 zum ersten Mal in ihrer Geschichte aus dem Bundestag flog, gilt der heute 38-Jährige als neue Hoffnung der Partei, in Nordrhein-Westfalen und als Vorsitzender im Bund. Er sagte, NRW solle zum "Gründerland Nummer Eins" werden, er forderte eine "Bildungsrevolution", mehr Geld für Schulen, Hochschulen, Forschung, auf Wahlplakaten trägt er Anzug und weiße Turnschuhe und schaut in einen vollen Hörsaal. Seine Partei sprach von einem "Digital-Ministerium". Das alles ging unter im Rauschen des Wahlkampfes. Aber Lindner ist geschickt. Er kann Tonlagen wechseln und laut werden, schrill auch, vor wenigen Wochen forderte er, der türkischstämmige Nationalspieler Mesut Özil solle die deutsche Hymne mitsingen. Überhaupt hat Lindner bei vielen Bundesbürgern ein Identitätsproblem festgestellt, "das dann zu Integrationsproblemen führt". Damit wurde er gehört.

Das sind Luxusprobleme für eine Partei, der Luxus lange fremd war

Natürlich haben sie in Minden und Düren, in Bocholt und Paderborn am Sonntag über Landesthemen abgestimmt. Natürlich aber werden die Ergebnisse auch in Berlin diskutiert. Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland, die Wahl ist ein wichtiger Stimmungstest, der letzte vor der Bundestagswahl im Herbst. Das weiß Lindner, das wissen die Liberalen, und deshalb brauchen sie dieses Ergebnis, das so hoch ausfällt, dass sie am Ende des Abends von einer Wiedergeburt der Partei sprechen können. Um die zwölf Prozent also, Wiedergeburt. Erst in Düsseldorf, dann in Berlin.

Die FDP hatte zuletzt in NRW geworben mit "Zweitstimme ist Lindner-Stimme", wie auch ihre Parteikollegen in Schleswig-Holstein um die Zweitstimme für Kubicki geworben hatten. Dabei wollen beide im Herbst in den Bundestag wechseln. In Düsseldorf wäre die Zweitstimme für die FDP dann genau genommen eine Stimme für Joachim Stamp, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Aber das sind Luxusprobleme für eine Partei, der Luxusprobleme lange fremd waren.

Die Grünen plagen derweil andere Sorgen. Sechs Prozent der Stimmen nach den ersten Hochrechnungen, und auf den Bildschirmen sieht man Parteianhänger wegschauen, sich wegdrehen. Dabei war Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann, 60, bis zuletzt mit ihrem Hybrid-Wahlkampfauto durchs Land gefahren. Auf Marktplätzen und an Haustüren hatte sie die Wähler umworben. Sechs Prozent, das mag am Programm liegen und an der Spitzenkandidatin. Nordrhein-Westfalens Bürger interessieren sich - nach der Silvesternacht, nach dem Fall des Attentäters Anis Amri - mehr für innere Sicherheit als für Klimawandel und Verbraucherrechte. Und Löhrmann wird als Schulministerin verantwortlich gemacht für den hohen Unterrichtsausfall, für die Probleme beim Turbo-Abitur und bei der Inklusion. Geschadet hat den NRW-Grünen wohl, dass die Sozialdemokraten auch um die Zweitstimmen geworben hatten - auf Kosten der Grünen. Für Rot-Grün reicht es auf keinen Fall. Eine Jamaika-Koalition mit FDP und CDU aber hatten Spitzenkandidatin Löhrmann und die Partei vor der Wahl ausgeschlossen. Bleibt in Düsseldorf die Opposition. Und die Gewissheit, dass es nur noch wenige Monate bis zur Bundestagswahl sind.

Noch enger wurde es für die Linke. Deren Spitzenduo Özlem Alev Demirel und Christian Leye schaffte es in den ersten Hochrechnungen nur auf fünf Prozent. Für sie wurde es ein langer Abend. Deutlich verloren hatte zuletzt auch die AfD. In Nordrhein-Westfalen ist das Flüchtlingsthema nicht mehr so akut wie vor ein paar Monaten, das kostete die Rechtspopulisten Stimmen. Hinzukommt, dass sich die Partei auf Bundesebene gerade erst zerlegt hat. Und dann ist da noch der nordrhein-westfälische AfD-Spitzenkandidat Marcus Pretzell, der Ehemann von Frauke Petry. Die wiederum war kürzlich von den eigenen Parteikollegen arg düpiert worden. Aber sie kam locker in den Landtag mit gut seiben Prozent.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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