Familiennachzug:1000 Verwandte pro Monat

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Syrische Flüchtlinge, die zu Angehörigen nach Deutschland wollen, müssen viele bürokratische Hürden nehmen. (Foto: Mohamad Abazeed/AFP)

Der Familiennachzug für Flüchtlinge beginnt im August. Nach Deutschland dürfen Eltern Minderjähriger, Kinder und Ehepartner kommen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Über Monate lagen sich Union und SPD wegen des Familiennachzugs für Flüchtlinge in den Haaren. Am 1. August nun tritt das "Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten" in Kraft. Es soll Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz die Familienzusammenführung aus humanitären Gründen erleichtern, das Kindeswohl ganz nach vorn stellen und auch Faktoren wie Integration berücksichtigen - so zumindest ist es angekündigt. Gleichzeitig wurde für diese große Flüchtlingsgruppe aber auch der grundsätzliche Rechtsanspruch auf Nachzug Angehöriger abgeschafft und die Zahl der Berechtigten so beschränkt, dass zunächst vor allem die Schnellen zum Zug kommen dürften.

Maximal 1000 Personen im Monat können nach dem neuen Gesetz zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz nach Deutschland ziehen. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Syrer, die wegen des Bürgerkriegs ihr Land verlassen mussten, in Deutschland aber keine volle Flüchtlingsanerkennung bekommen haben, sondern nur eingeschränkten Schutz. Möglich ist der Nachzug von Eltern zu minderjährigen Kindern, die ohne Sorgeberechtigte in Deutschland leben. Auch Kinder können nachkommen, oder Ehepartner, wenn die Ehe vor der Flucht geschlossen wurde. Minderjährige Geschwister von hier lebenden subsidiären Flüchtlingen fallen nicht unter die Nachzugsvorschrift.

Wer in das monatliche 1000-Personen-Kontingent aufgenommen wird, das ist Ermessenssache und wird vom Bundesverwaltungsamt entschieden. Das ist neu. Zunächst müssen die Antragsteller allerdings einen bürokratischen Parcours durchlaufen, bei dem es auch aufs Tempo ankommt. Er beginnt auf der Website einer deutschen Botschaft oder eines Konsulats im Herkunftsland oder auf der Fluchtroute. Dort werden Terminlisten geführt. Aus dem Großraum Syrien und afrikanischen Ländern liegen dem Auswärtigen Amt bereits 34 000 Anträge auf Terminvereinbarungen vor. Sie werden zunächst chronologisch bearbeitet, also in der Reihenfolge des Eingangs. Erst wenn in Deutschland mehr als 1000 Anträge im Monat vorliegen, was zunächst nicht der Fall sei dürfte, wird nach Ermessen ausgewählt.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, heißt es also erst einmal. Bis zum Jahresende können maximal 5000 Angehörige nachreisen. Gerade bei Antragstellern aus afrikanischen Staaten aber, in denen das Personenstandswesen schlecht ausgeprägt sei, stelle die Beschaffung der nötigen Dokumente eine erste, oft erhebliche Hürde dar, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Nachzuweisen sind Identität, Abstammung, Elternschaft oder Heirat, humanitäre Gründe, Krankheitsfälle, die Unzumutbarkeit der Familienzusammenführung in einem Drittstaat, und wenn möglich Kenntnisse der deutschen Sprache.

Bislang ging die Antragsbearbeitung bei subsidiär Geschützten schleppend voran. Nur sehr wenige, extreme Härtefälle wurden positiv beschieden. Das soll anders werden. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) soll nun die Antragsdaten erfassen, die Familienzusammengehörigkeit klären und die Daten dann deutschen Innenbehörden schicken. Diese prüfen erneut. Liegen bei dem in Deutschland lebenden Familienmitglied bestimmte Straftaten vor oder eine Freiheitsstrafe ab einem Jahr, wird der Antrag abgelehnt.

Gibt es keine Ausschlussgründe und hat das Bundesverwaltungsamt bereits mehr als 1000 Anträge pro Monat, muss es entscheiden, wer ins Kontingent kommt. Voraussetzung sind humanitäre Gründe, sie haben in der Gewichtung Vorrang. Laut Bundesinnenministerium soll das Kindeswohl besonders berücksichtigt werden, aber auch die Dauer der Trennung, Krankheiten, Behinderungen, Pflegefälle. Lässt sich nicht entscheiden, in welcher Familie die Härten am größten sind, soll auch der Faktor Integration in Rechnung gestellt werden: Wer spricht Deutsch? Wer kann die Familie ernähren oder hat ausreichend Wohnraum? Die bisherige Härtefallregelung für "dringende humanitäre Fälle" bleibt vom neuen Gesetz unberührt. Lehnt das Bundesverwaltungsamt einen Antrag ab, ist eine Klage möglich. Stimmt es zu, wird ein Visum für drei Monate erteilt. Innerhalb dieses Zeitraums muss die Einreise erfolgen.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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