Facebook:Ungelöschter Hass

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Rassisten können sich im Netz austoben - allzu oft ungehindert. Justizminister Heiko Maas rügt, dass Facebook viele Hass-Posts stehen lässt.

Von Martin Schneider, München

Heiko Maas hat seine Bedenken gegen Facebook auf Facebook gepostet, und Facebook findet, dass das ganz gut zeigt, warum Facebook weiter an seinen Regeln festhält. Regeln, die zulassen, dass der Satz "Mit einem Loch im Kopf wären manche Leute noch als Nistkasten zu gebrauchen", gepostet in einer Gruppe namens "Gegen Asylanten in Deutschland", nicht gelöscht wird, Nacktbilder - und seien es Brüste auf mittelalterlichen Gemälden - aber schon.

Der Bundesjustizminister von der SPD hat einen Brief an Facebook geschrieben. Maas lädt darin Vertreter des sozialen Netzwerks ins Ministerium ein, um "die Effektivität und Transparenz ihrer Gemeinschaftsstandards zu verbessern". Die Gemeinschaftsstandards sind ein Regelwerk, das sich Facebook selbst gegeben hat. Konkret geht es Maas um die zahlreichen rassistischen und fremdenfeindlichen Posts, die Facebook trotz Meldung und Prüfung auf der Seite lässt. Darüber hätten sich viele Menschen bei ihm beschwert. Facebook verkündete am Donnerstag, man begrüße das Schreiben, das Unternehmen sei sich seiner Verantwortung bewusst und man werde sich mit dem Minister treffen.

Warum Heiko Maas überhaupt diesen Brief schreiben muss, versucht Stefan Stojanow zu erklären. Er ist Sprecher von Facebook: "Viele dieser Beiträge sind Meinungen und auch wenn wir sie als Unternehmen nicht vertreten, nehmen wir sie nicht von der Seite." Jedenfalls nicht alle. Direkte Gewaltaufrufe etwa sind verboten. Wenn jemand schreiben würde: "Lass uns nach Heidenau gehen und ein Flüchtlingsheim anzünden", soll das nach den Regeln entfernt werden. Auch wenn gegen Einzelpersonen oder eine geschützte Gruppe zur Gewalt aufgerufen wird, entfernt das Netzwerk den Post. Flüchtlinge sind aber nach den Standards des Unternehmens keine geschützte Gruppe. Wenn also jemand sinngemäß schreibt "Asylbewerber sollten raus aus Deutschland", und sei es noch so aggressiv, lässt Facebook es auf der Seite. "Wir wissen, dass das von vielen Menschen nicht verstanden wird", sagt Stojanow, "aber wir sehen uns als Spiegel der Gesellschaft. Nur wenn ich solche Sachen lese, kann ich auch darauf reagieren. Wir lassen die Posts nicht stehen, weil wir sie schön finden." Leute posten rassistische Sachen, andere stellen sich dagegen, der Justizminister reagiert und ein Prozess kommt in Gang. So sieht Facebook das.

Rein technisch funktioniert die Prüfung so: Wenn ein deutscher Nutzer einen Eintrag meldet, dann wird der in der Europa-Zentrale in Dublin von einem Muttersprachler kontrolliert. Wenn man also eine Antwort auf seine Beschwerde erhält, dann hat die meist ein Mensch und keine Maschine geprüft. "Wir treffen diese Entscheidungen sehr bewusst", sagt Stojanow.

1,4 Milliarden Nutzer aus allen Kulturkreisen weltweit sind in dem Netzwerk registriert und Facebook argumentiert, es sei schwer, einheitliche Standards zu finden. Bei Nacktbildern etwa hat man sich dazu entschieden, einen weltweiten Standard zu setzen und sie nicht zu dulden, bei anderen Themen - etwa bei Holocaust-Leugnung - differenziert das Netzwerk nach Landesgesetzen. Ein solcher Beitrag würde in Deutschland geblockt, in anderen Ländern wäre er aber noch sichtbar. Bei richterlichen Aufforderungen arbeitet Facebook auch mit Strafbehörden zusammen. Im zweiten Halbjahr 2014 gab es 2132 Anfragen von deutschen Strafbehörden. Wenn eine konkrete Straftat - auch Volksverletzung - vorliegt, dann stelle Facebook rechtsrelevante Daten zur Verfügung, sagt Stojanow. Das war bei etwas mehr als einem Drittel der Anfragen der Fall.

Ob die rassistischen Beiträge strafrechtlich relevant sind, hängt vom Kontext ab. Ende Juli ist ein Mann vom Amtsgericht Passau zu einer Geldstrafe von 7500 Euro verurteilt worden, weil er unter einem Spenden-Aufruf für Asylbewerber "I hätt nu a Gasflasche und a Handgranate rumliegen für des Gfrast. Lieferung frei Haus" schrieb. Volksverhetzung, urteilte das Gericht.

Aber Rassismus auf Facebook kann auch andere Konsequenzen haben. Die Feuerwehr eines Dorfes in Österreich zum Beispiel spritzte an einem heißen Tag Flüchtlingskinder mit dem Schlauch ab und lud ein Bild der Aktion hoch. Ein 19-jähriger Azubi schrieb, dass ein Flammenwerfer besser wäre. Sein Arbeitgeber Porsche feuerte ihn.

Facebook-Kritik auf Facebook: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). (Foto: REUTERS)
© SZ vom 28.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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