EZB:Höchste Zeit für einen Kurswechsel

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Die Europäische Zentralbank gibt das Geld mit vollen Händen aus, ein Ende ist nicht abzusehen. Gerade hat ihr Chef die Strafzinsen für Guthaben weiter erhöht. Doch was einmal gut für die Konjunktur war, könnte sich nun ins Gegenteil verkehren.

Von Nikolaus Piper

In Europa geht die Zeit der Extreme noch nicht zu Ende, im Gegenteil. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag die Nullzinspolitik Mario Draghis weiter ausgebaut. Der Strafzins, den Banken für ihre Guthaben bei der EZB zahlen müssen, steigt von 0,2 auf 0,3 Prozent, das Programm zum Kauf von Wertpapieren, das dem Druck frischen Geldes gleichzusetzen ist, wird um ein halbes Jahr bis März 2017 verlängert.

Es ist ein riskanter Kurs. Fundamentalkritik an der Notenbank ist zwar nicht angebracht. Die lockere Geldpolitik ist im Prinzip richtig, und sie hat die Euro-Zone bisher vor Schlimmerem bewahrt. Zudem fiel die neuerliche Lockerung moderater aus, als viele an den Finanzmärkten erwartet hatten. Das ist der Grund, weshalb am Donnerstag die Aktienkurse einbrachen und der Kurs des Euro stieg. Besonders Letzteres läuft den Zielen der EZB diametral zuwider. Sie hofft, dass ein billiger Euro die Exporte begünstigt und so für Wachstum sorgt.

Die Notenbank flutet die Märkte - mit wachsenden Risiken

Gerade diese Reaktionen an den Finanzmärkten jedoch zeigen die wachsenden Probleme des EZB-Kurses. Draghi wird durch die eigene Politik in Zugzwang gebracht, er weckt Erwartungen, die er erfüllen muss, wenn er nicht heftige Gegenreaktionen auslösen will. Und der Ausstieg aus der Politik wird immer schwieriger. Die Begründung für die extreme Politik wird zusehends wackliger. Die Preise steigen zwar immer noch langsamer, als von der EZB gewünscht, aber das tun sie schon lange, ohne dass die Geldpolitik daran etwas geändert hätte. Und eine echte Deflation, also ein gefährlicher Verfall des Preisniveaus, ist nicht in Sicht. Schließlich gibt es Hinweise darauf, dass die Strafzinsen für die Banken das Gegenteil von dem bewirken, was sie sollen. Die Kreditinstitute ziehen ihr Geld nicht etwa von der EZB ab und vergeben es als günstige Darlehen, sondern sie zahlen die Strafzinsen und geben sie einfach als Kosten an ihre Kunden weiter.

Damit wird es auch immer schwieriger, die Risiken zu rechtfertigen, die die Politik des leichten Geldes für Sparer, Pensionskassen und Versicherungen mit sich bringt. Vom Immobilienboom in vielen deutschen Städten ganz zu schweigen.

Gegenwärtig sieht es so aus, als werde die Federal Reserve in den Vereinigten Staaten noch in diesem Monat erstmals seit der Finanzkrise ihren Leitzins wieder erhöhen. Die Europäer sollten sich darüber freuen, und zwar nicht nur über den kurzfristigen Effekt eines möglicherweise gegenüber dem Dollar sinkenden Euro-Kurses. Entscheidend ist, dass die Fed jetzt den Weg zur Normalität vorangeht. Leicht gerät in diesen Tagen in Vergessenheit, dass die heutige Geldpolitik ein historisches Novum ist. Nie zuvor gab es so niedrige Zinsen, nie zuvor wurde so viel Geld der Notenbanken in der Wirtschaft verteilt, ohne dass dies massive Geldentwertung zur Folge gehabt hätte. Bisher war die lockere Geldpolitik ein Erfolg, aber dieser Erfolg steht unter dem Vorbehalt, dass jetzt auch der Ausstieg gelingt. Je früher man damit anfängt, desto besser.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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