Rechtsextremismus:Nachbar Nazi

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Ein Kameramann filmt vor einem ehemaligen Gasthof in Oberprex (Landkreis Hof), der von Rechtsextremen gekauft wurde. (Foto: David Ebener/dpa)
  • Eine Anfrage der Grünen im Bundestag offenbart, dass Neonazis immer häufiger Immobilien dazu nutzen, ihre rechte Gesinnung zu verbreiten.
  • Vor allem im ländlichen Raum kaufen sich die Rechtsextremen ein und gründen Tagungsorte oder Siedlungen, die Bio-Bauernhöfen ähneln.
  • Gemeinden und Anwohnern gelingt es teilweise, den Ankauf durch die Rechten zu verhindern.
  • Aktivisten und die Grünen setzen sich dafür ein, dass der Staat Immobilien rechter Gruppen schneller beschlagnahmt. Noch sind in Deutschland die rechtlichen Hürden dafür allerdings hoch.

Von Jan Heidtmann, München

Crawinkel, Oberprex, Wibbese, es sind beschauliche Orte irgendwo in Deutschland. Doch inzwischen haben ihre Namen einen bedrohlichen Beiklang. Sei es die NPD in Thüringen, das Freie Netz Süd in Bayern oder sogenannte völkische Siedler im Wendland - Rechtsextreme haben sich in die Ortschaften eingekauft.

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Waren es 2006 noch 20 Immobilien, die Rechte nach Auskunft der Bundesregierung in Deutschland besaßen, stieg die Zahl 2013 auf rund 60 Gebäude. Insgesamt würden 260 Immobilien ständig von der Szene genutzt. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hervor. Die Grünen-Bundestagsfraktion wollte neben anderem erkunden, welche Bedeutung der Grundbesitz bei der Verfolgung von Rechtsextremisten habe. Die Antwort zeige, "wie wenig Relevanz die Bundesregierung der zentralen Rolle von Immobilien in rechtsextremen Milieus beimisst", sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar. Das sei "unverantwortlich, gefährlich und ignorant".

Die Gebäude werden als Tagungs- und Ausbildungsorte genutzt

Tatsächlich investieren die NPD, Kameradschaften und andere rechtsextreme Gruppierungen seit Jahren zunehmend in Häuser. Das betrifft Berlin ebenso wie München, doch inzwischen konzentrieren sich die Rechten vor allem auf ländliche Gegenden, vorneweg in Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern. Die Gebäude würden als Tagungs- und Ausbildungsorte genutzt, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert.

Bedrohlicher aber sei die symbolische Wirkung des Immobilienbesitzes für die Bewohner kleinerer Ortschaften. Denn so würden Räume geschaffen, von denen aus die Rechtsextremen weitgehend ungestört agitieren können, Gegner würden eingeschüchtert.

Eine neue Qualität hätten die völkischen Siedler. "Die sind gegen Atomkraft, feiern völkische Hochzeiten und verteilen Flugblätter für eine ökologische Lebensweise", sagt Reinfrank. "Gleichzeitig verbreiten sie völkische Parolen." Ihre sogenannten Siedlungen sehen aus wie Bio-Bauernhöfe, es gibt "echten deutschen Honig" und sie sind inzwischen über die ganze Republik verteilt: vom Wendland über Brandenburg und den Hunsrück bis ins Dreiländereck in Bayern.

Die Bundesregierung habe "keine echte Übersicht" über die Besitztümer der Rechten

Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD verpflichtet, nach Wegen zu suchen, um Vermögen von Straftätern leichter einziehen zu können. Außerdem muss eine Richtlinie der EU umgesetzt werden, die die Gewinnabschöpfung bei Straftaten vereinheitlichen soll. Doch bislang ist wenig geschehen. Im Bundesjustizministerium wurde zwar eine Projektgruppe zusammengestellt, "sie ist eingerichtet und arbeitet", heißt es. Dies aber erst seit Anfang des Jahres.

Vorbild für den Umgang mit den Immobilien von Straftätern sind für Reinfrank - aber auch für die Grünen - die Italiener. Dort wurden die Gesetze so geändert, dass die Strafverfolger Besitz, der von der Mafia genutzt wird, wesentlich leichter einziehen können. Und sie gehen noch einen Schritt weiter: So wurde die Villa eines Bosses der 'Ndrangheta in Kalabrien in ein Mafia-Museum umgewandelt. Dort wird nun über die Arbeit und die Strukturen der Organisation aufgeklärt. Dass beschlagnahmte Immobilien auch in Deutschland auf diese Art der Gesellschaft zurückgegeben werden, das "hätte eine hohe symbolische und präventive Wirkung", sagt die Grüne Monika Lazar.

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In Deutschland sind die Hürden, Immobilien Rechtsextremer zu beschlagnahmen, hoch. Selbst dann, wenn sie eindeutig verfassungsfeindlich agitieren. Bislang verhinderte es oft der Protest der Anwohner, dass sich Rechte in einem Ort etablieren konnten. So hat der 2009 verstorbene NPD-Funktionär Jürgen Rieger in den 2000er-Jahren mehrfach versucht, Häuser in Norddeutschland für die Partei zu erwerben. Er scheiterte - auch, weil die Gemeinden die betreffenden Immobilien selber übernahmen.

Manchmal bietet das Vereinsrecht Möglichkeiten, Immobilien zu beschlagnahmen

In anderen Fällen konnten sich die Staatsschützer auf das Vereinsrecht berufen. So zum Beispiel im Ort Oberprex in Bayern. Rechtsextreme hatten in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, in dem Bundesland Immobilien zu kaufen, Bewohner und Gemeinden verhinderten dies regelmäßig.

In Oberprex gelang es schließlich: In das Haus mit der Nummer 47 konnte sich die Mutter des Neonazis Tony Gentsch einkaufen. Die ehemalige Gastwirtschaft wurde mit Kameras gesichert und geriet zum Zentrum des neonazistischen Freien Netzes Süd. Wegen seiner verfassungsfeindlichen Propaganda verbot das Bayerische Innenministerium im vergangenen Sommer den Verein und beschlagnahmte das Grundstück.

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Eine weitere Handhabe könnte das Strafrecht bieten, das aber zunächst entsprechend verschärft werden müsste. Martin Heger ist Professor für Strafrecht in Berlin und berät die Amadeu-Antonio-Stiftung. Er plädiert dafür, das Strafrecht in dieser Hinsicht zu überprüfen. "Die Vorschriften stammen aus den Sechzigerjahren", sagt Heger, organisierte Kriminalität aber auch der Immobilienerwerb Rechtsextremer habe damals kaum eine Rolle gespielt. Andererseits sei eine Beschlagnahme schon eine schwerwiegende Sanktion. Heger: "So richtig es auch ist, Nazis das Geld abzunehmen - das Strafrecht darf nicht zweckentfremdet werden."

Gleichzeitig sieht Heger, wie schwer es ist, den Rechten beizukommen. Ein gutes Beispiel dafür ist Anklam. In dem Ort in Mecklenburg-Vorpommern ist die NPD schon weit gediehen in ihrem Ziel, einen Kleinstaat im Staate aufzubauen. Inzwischen gibt es dort ein Bürgerbüro der Partei, eine sogenannte Volksbibliothek und ein Sportstudio. Alles fest in rechter Hand.

© SZ vom 29.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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