Extremismus:Gesetze anwenden

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Rechten und islamistischen Terroristen die Grundrechte entziehen? Das kann in einer Demokratie keine Lösung sein. Stattdessen müssen Taten konsequent geahndet werden.

Von Wolfgang Janisch

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit Peter Tauber seinen Posten als Generalsekretär der CDU aufgegeben hat. Die generalsekretärhafte Schrillheit hat er sich bewahrt. Man müsse Verfassungsfeinden Grundrechte entziehen, forderte er kürzlich und hatte damit eine Schlagzeile. Das Grundgesetz biete in Artikel 18 ein scharfes Schwert: "Es ist Zeit, von ihm Gebrauch zu machen." Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte, er wolle den Vorschlag "ernsthaft prüfen".

Ein scharfes Schwert? Artikel 18, die "Verwirkung" von Grundrechten, war einst als ein Mittel der "wehrhaften Demokratie" gedacht. Nun wächst seit dem politischen Mord an Walter Lübcke - ganz zu Recht - die Erkenntnis, Demokraten müssten sich gegen die Bedrohung durch Rechtsextremisten zur Wehr setzen. Aber Artikel 18 ist ein viel zu schwergängiges Instrument. Zuständig wäre das Bundesverfassungsgericht, und das NPD-Verbotsverfahren gibt eine Ahnung davon, wie aufwendig eine Maßnahme geprüft würde, die auf eine halbe Ausbürgerung hinausliefe, nur ohne Rauswurf. In sieben Jahrzehnten sind vier Versuche gescheitert, den Artikel nutzbar zu machen.

Vor allem aber führt die Behauptung in die Irre, mit Artikel 18 lasse sich jene giftige Atmosphäre reinigen, in der dieser rechte Extremismus gedeiht. Ein Verfahren zum Entzug von Grundrechten könnte sich nur gegen einzelne exponierte und besonders gefährliche Figuren richten. Hetze und Gewalt haben jedoch erschreckend viele Stimmen, sie quellen aus den Schmutzkanälen des Internets, teils offen, teils anonym. Selbst wenn man einen Einzelnen zum Schweigen bringen könnte, indem man ihm die Meinungsfreiheit nähme - der Chor der Demokratiefeinde würde nicht leiser. Er würde umso lauter einen Märtyrer beklagen.

Nein, es müssen keine vergessenen Vorschriften reaktiviert werden. Der Kampf gegen Rechtsextremisten lässt sich mit dem Strafgesetzbuch führen, das längst ein stattliches Paragrafen-Arsenal enthält. Der Mörder von Walter Lübcke muss ohnehin mit einer lebenslangen Strafe rechnen. Aber auch verhinderten Attentätern, die rechtzeitig gefasst werden, droht Gefängnis, egal, ob sie einer Terrorbande angehören oder als radikalisierte "einsame Wölfe" ihr Unwesen treiben. Die Vorfeld-Strafbarkeit für Terrorplaner jeder Couleur blüht seit Jahren, davon gibt es eher zu viel als zu wenig - denn aufgrund von Absichten statt aufgrund von Taten zu ermitteln, birgt immer auch die Gefahr, Unbescholtene zu treffen.

Auch Verleumdung, üble Nachrede, Beleidigung, Volksverhetzung sind schon strafbar. Man muss zwar dringend darüber nachdenken, wie man Hassposts effektiver entfernt. Da wird zum Beispiel eine Nachjustierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes nötig sein. Das Wichtigste aber ist auch hier mehr Konsequenz bei der Strafverfolgung.

Der Vorschlag Taubers birgt noch ein weiteres Problem. Er steht in einer Reihe mit den unseligen Versuchen, Extremismus dadurch zu bekämpfen, dass man Extremisten einfach ausschließt. Als gäbe es eine Klubkarte der Demokratie, mit deren Entzug man den Inhaber unschädlich machen könnte. Über ein besonders bizarres Beispiel entscheidet an diesem Donnerstag die Regierungskoalition in Berlin. Doppelstaatler sollen künftig ihren deutschen Pass verlieren, wenn sie sich "konkret" an Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland beteiligen. Die Innenminister der Länder fanden den Gedanken so gut, dass sie inzwischen auch den Mitgliedern "krimineller Clans" den Pass nehmen wollen.

Den deutschen Pass unter den Vorbehalt von Sicherheitserwägungen zu stellen, ist schon aus prinzipiellen Gründen keine gute Idee. Staatsangehörigkeit ist Grundlage für alles, was den Bürger ausmacht, sie gewährt das "Recht auf Rechte". Wer dieses Prinzip aufweicht - und sei es nur, um gefährliche IS-Kämpfer loszuwerden -, der lädt zur Nachahmung und damit zu Missbrauch ein. Und dies im Jahr des Grundgesetzjubiläums, in dem darüber diskutiert wurde, wie man den Rechtsstaat sturmfest macht - falls Demokratiefeinde einmal Mehrheiten erlangen.

Zudem dürfte der Sicherheitsgewinn minimal sein; wahrscheinlicher ist, dass die Risiken zunehmen. Die Diskussion um die Rückholung deutscher IS-Milizionäre aus dem Irak zeigt: Bisher muss sich Deutschland zumindest ein wenig für die Begrenzung von Risiken verantwortlich fühlen, die von diesen Leuten ausgehen. Nimmt man ihnen den Pass, dann exportiert man das Problem. Zuständig sind dann Staaten, deren Polizei gewiss nicht besser gerüstet ist - in Marokko, Tunesien, der Türkei. Das erfüllt nicht den Anspruch einer koordinierten internationalen Anti-Terror-Strategie.

Nein, man kann den Extremismus egal welcher Couleur nicht einfach abschneiden wie einen faulen Ast. Er wächst mitten in der Gesellschaft. Das ist schmerzhaft. Aber Schmerz hält wach, und das ist gerade dringend nötig.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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