Europawahl in Polen:Karriere im Ausland

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In Polen sind EU-Abgeordnete hochangesehen, auch das Interesse der Medien am Wahlkapf ist enorm - dennoch ist die Wahlbeteiligung traditionell niedrig.

Thomas Urban, Warschau

Für die Meinungsforscher steht schon fest: Es wäre ein Wunder, wenn das Interesse der polnischen Wähler an der Europawahl viel größer wäre als vor fünf Jahren. Damals hatte Polen mit einer Wahlbeteiligung von 20,4 Prozent den vorletzten Platz unter allen Mitgliedsländern belegt, Schlusslicht war die Slowakei.

Feier zum Europa Tag Anfang Mai in Warschau. (Foto: Foto: AFP)

Doch das Interesse der Medien ist enorm. Seit Wochen berichten die großen Tageszeitungen und Sender fast täglich über die Wahl, erst über die parteiinternen Konflikte über die Kandidatenlisten, dann über die zu erwartenden Duelle prominenter Politiker. Denn in Polen sind die Mandate im EU-Parlament überaus begehrt, seine Mitglieder sind bekannt und hochangesehen.

Wie für die anderen ehemaligen Ostblockländer in der EU gilt auch für Polen, dass die Mehrheit der Bevölkerung mehr Vertrauen in die europäischen Institutionen als in die eigene politische Elite hat. Überdies erfreuen sich traditionell in Polen Landsleute, die international Karriere machen, besonderen Respekts; nahezu jede Zeitung berichtet regelmäßig über die Erfolge "unserer Leute im Ausland", egal ob es sich um Politik, Business, Kunst oder Sport handelt.

Skandale in der Heimat in Brüssel aussitzen

Überdies sind die Einkünfte der Europaparlamentarier etwa fünfmal so hoch wie die von Sejm-Abgeordneten. Schließlich sehen manche polnische Politiker Brüssel auch als Platz an, an dem man gut Skandale in der Heimat aussitzen kann. Die Immunität schützt die Brüsseler vor Nachstellungen der heimischen Justiz, wie sie etwa dem früheren Justizminister Zbigniew Ziobro, einst Kronprinz des heutigen Oppositionsführers Jaroslaw Kaczynski in der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), wegen Rechtsbeugung drohen. Ziobros Sieg in Krakau gilt als sicher.

Spitzenkandidat der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), der größeren der beiden Regierungsparteien, ist der frühere Ministerpräsident Jerzy Buzek. Er ist der Kandidat Warschaus für den Vorsitz des Europa-Parlaments. Ministerpräsident Donald Tusk setzt auf Unterstützung der deutschen Christdemokraten, zu denen der bedächtige Buzek, einst Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarität im Industriebezirk Kattowitz, auch persönlich vielerlei Kontakte unterhält.

In allen Umfragen führt er im Wahlkreis Kattowitz mit großem Vorsprung. Dagegen wird den Umfragen zufolge die Protestpartei Selbstverteidigung des Bauernführers Andrzej Lepper landesweit kaum über ein Prozent der Stimmen hinauskommen.

© SZ vom 20.05.2009/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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