Europäische Zentralbank:Richter billigen Draghis Rettungsprogramm

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Der Europäische Gerichtshof erklärt den Ankauf von Staatsanleihen für rechtens, behält sich jedoch die Kontrolle vor.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Europäische Zentralbank erstmals einer höchstrichterlichen Kontrolle unterworfen. Die EZB ist keineswegs frei in ihren Entscheidungen, sondern unterliegt der Kontrolle durch den EuGH, entschied das Gericht in einem Grundsatzurteil. Zugleich aber gewährt es der Zentralbank einen weiten Spielraum. Die Ankündigung des EZB-Chefs Mario Draghi vom Sommer 2012 zum Ankauf von Staatsanleihen in "notfalls unbegrenzter" Höhe sei rechtens gewesen. Das damals in Aussicht gestellte, aber nie umgesetzte OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") gehöre zur Währungspolitik und falle damit unter die Befugnisse der EZB - vorausgesetzt, sie beachte bestimmte Vorgaben. Sie dürfe die Marktmechanismen nicht außer Kraft setzen, die verschuldete Staaten mit Zinsaufschlägen zur Haushaltsdisziplin zwingen sollen.

Der Gerichtshof in Luxemburg folgt damit in einem zentralen Punkt den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts, das ihm den Fall zur Vorabentscheidung vorgelegt hatte: Die EZB, wiewohl von der Politik unabhängig, unterliegt einer juristischen Kontrolle. Allerdings fassen die Europarichter den Rahmen für die EZB deutlich weiter. Der EuGH sieht den Ankauf von Staatsanleihen als währungspolitische, also vom EZB-Mandat gedeckte Maßnahme. "Der Umstand, dass das OMT-Programm möglicherweise geeignet ist, auch zur Stabilität des Euro-Währungsgebiets beizutragen (die der Wirtschaftspolitik zuzurechnen ist), kann diese Beurteilung nicht infrage stellen", befanden die EU-Richter. Karlsruhe hatte dies als eine "eigenständige wirtschaftspolitische Maßnahme" eingestuft - außerhalb der EZB-Zuständigkeit.

Der Gerichtshof macht die Zulässigkeit eines solchen Programms aber davon abhängig, dass das europarechtliche Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung eingehalten wird, also angeschlagene Staaten nicht mithilfe der EZB-Notenpresse finanziert werden. Voraussetzung sei, dass eine Mindestfrist zwischen der Ausgabe von Schuldtiteln am Primärmarkt und ihrem Ankauf durch die EZB eingehalten werde. Zudem dürfe das Volumen solcher Käufe nicht im Voraus offengelegt werden.

Das Verfahren geht nun zurück an das Bundesverfassungsgericht, das voraussichtlich eine weitere mündliche Verhandlung ansetzen wird. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, der neben weiteren Klägergruppen gegen das Programm vor Gericht gezogen war, nannte das Urteil einen "Freibrief für Handlungen, die zu einer Umverteilung von Haushaltsrisiken zwischen den Euro-Staaten in Höhe Hunderter Milliarden Euro" führe. Karlsruhe müsse nun angesichts dieser "Kriegserklärung" feststellen, dass die EU-Organe eindeutig ihre Kompetenzen überschritten hätten. "Der EuGH irrt sich", kritisierte Clemens Fuest, der designierte Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo: "Das OMT-Programm ist ein Rettungsprogramm der EZB für die hoch verschuldeten Peripheriestaaten. Das ist Fiskalpolitik und keine Geldpolitik." Der Linke-Fraktionschef Gregor Gysi, ebenfalls unter den Klägern, sagte, die EZB sei "in ihrer Gottähnlichkeit" eingeschränkt worden.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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