Europäische Union:Vergebliches Trommeln für die Wiederwahl

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EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat bis zuletzt auf Martin Schulz gesetzt. Nun hat der wohl eine andere Entscheidung getroffen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Martin Schulz konnte sich der ganzen Aufmerksamkeit des Plenums sicher sein, als er auf "diese gute Mission und diese wichtige Mission" zu sprechen kam. Er hoffe, "dass wir sie mit Erfolg auch in den nächsten Jahren fortsetzen können". Seine Rede galt dem Lux-Filmpreis, der zum zehnten Mal im EU-Parlament verliehen wurde, an "Toni Erdmann" von Regisseurin Maren Ade. Ansonsten aber, wenn von "Mission" und von "Fortsetzung" gesprochen wird, ist in diesen Tagen in Straßburg in aller Regel von Schulz selbst die Rede gewesen.

Im Januar steht die Neuwahl des Parlamentspräsidenten an, und noch immer wussten die Abgeordneten nicht, ob der SPD-Mann gegen alle Widerstände noch einmal antreten würde oder ob er etwa als Außenminister nach Berlin wechselt. Bis zuletzt hatten seine Unterstützer für seinen Verbleib an der Spitze des Parlaments getrommelt. "Martin Schulz ist Garant für eine institutionelle Stabilität in einer sehr wichtigen Phase, einer Krisenphase", verkündete der sozialdemokratische Fraktionschef Gianni Pittella. Und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein Christsozialer, knöpfte sich in dieser Woche noch einmal einzelne Abgeordnete vor.

Juncker war stets die zentrale Figur in der Kampagne für einen Verbleib von Schulz in Brüssel und Straßburg. Mit Schulz verbindet ihn eine persönliche und politische Freundschaft. Bereits im Juli hatte er sich in einem Interview dafür starkgemacht, "mit einem bewährten Team" weiterzumachen - und für diese Einmischung in Parlamentsdinge viel Kritik eingesteckt. Seitdem hielt Juncker sich zurück, allerdings nur öffentlich. Seine Kampagne für Schulz führte er unablässig fort. Nach der Wiederwahl des Fraktionschefs der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, schaute Juncker vergangene Woche bei der Party in der bayrischen Vertretung vorbei - auch das eine gute Gelegenheit für fröhliche Wahlwerbung.

Am Rande der Parlamentssitzung zählte Juncker in dieser Woche in seinem Büro in Straßburg dann noch einmal seine Argumente auf: Ohne Schulz drohe vor allem der Zusammenarbeit zwischen Christ- und Sozialdemokraten das Aus. Auch sei die Wiederwahl von Donald Tusk als EU-Ratspräsident gefährdet, weil nicht drei Konservative an der Spitze von Parlament, Kommission und Rat geduldet würden. Außerdem sei unberechenbar, wer Schulz beerbe und ob nicht Liberalen-Chef Guy Verhofstadt Überraschungssieger werde.

Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe, gehört zu denen, die auf diese Weise bearbeitet worden sind. An seinem Widerstand gegen eine Wiederwahl von Schulz änderte das nichts. "Jeder Mann ist ersetzbar", sagt Reul. Überdies sei es an der Zeit für Schulz "einzusehen, dass man sich an Absprachen halten muss". Laut einer Vereinbarung sollen die Sozialdemokraten den Parlamentsvorsitz zur Hälfte der Legislaturperiode der EVP überlassen. Diese allerdings ist noch auf schwieriger Kandidatensuche und will Mitte Dezember einen Bewerber bestimmen. Am 29. November wollen die Liberalen über eine eigene Kandidatur entscheiden. Im Gespräch sind Verhofstadt, aber auch die Französin Sylvie Goulard. Auf Schulz wiederum war der Druck gewachsen. Am späten Mittwochabend, als in Straßburg die Sitzung schon beendet ist, kommt die Nachricht, die Entscheidung sei gefallen - für Berlin.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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