Europäische Union:"Neue Formate" statt Beitritt

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Nach dem Referendum in der Türkei wollen die EU-Außenminister das Verhältnis zu dem Beitrittskandidaten diskutieren. Die derzeitige Situation sei sowohl für Ankara als auch für Brüssel "nicht nachhaltig".

Von Daniel Brössler, Brüssel

Nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei will sich die EU-Kommission nicht länger vor der Frage drücken, ob Beitrittsverhandlungen mit dem Land noch Sinn ergeben. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini stellt das Thema bei einem informellen Treffen der EU-Außenminister am Freitag in Malta zur Diskussion. Die Minister sollen die Frage beantworten, wie sie sich die künftigen Beziehungen zur Türkei vorstellen. Forderungen, die Verhandlungen zu beenden oder zumindest auszusetzen, hatte die EU-Kommission bislang stets eine Absage erteilt. EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn weichte diese Position nun als Erster auf. Es sei an der Zeit, über "ein neues Format der Zusammenarbeit" mit der Türkei zu reden, sagte er. Die derzeitige Situation sei "nicht nachhaltig", weder für die Türkei noch für die EU.

Für EU-Präsident Juncker bleibt die Wiedereinführung der Todesstrafe eine "rote Linie"

Allerdings offenbarten sich so nun auch die Brüche in der EU-Kommission in dieser Frage. Der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte deutlich, dass Hahn nicht die Haltung der Kommission wiedergegeben habe. Juncker habe sich in der Vergangenheit nicht dafür eingesetzt, die Beziehungen zur Türkei neu zu ordnen, betonte er. Der Diskussion der Außenminister in Malta wolle man nun nicht vorgreifen. Die Europäische Union und die Türkei verhandeln seit 2005 über den Beitritt. 16 der 33 Verhandlungskapitel wurden bereits eröffnet, derzeit liegen die Gespräche allerdings praktisch auf Eis. In einer Sitzung im Dezember waren sich die EU-Außenminister einig, dass unter den jetzigen Umständen keine neuen Verhandlungskapitel eröffnet werden. Österreich war aber mit der Forderung gescheitert, die Verhandlungen einzufrieren. Dies hatte auch das EU-Parlament verlangt.

Nach dem türkischen Verfassungsreferendum sei es nun "wirklich an der Zeit für eine Neubewertung der Beziehungen", forderte Hahn. Für Kommissionspräsident Junker bleibt aber offenbar die Wiedereinführung der Todesstrafe die "rote Linie", die weitere Verhandlungen sinnlos machen würde. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat in der Frage ein Referendum in Aussicht gestellt.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats entschied am Dienstag, die Türkei erstmals seit 13 Jahren wieder unter volle Beobachtung zu stellen. Eine große Mehrheit der Abgeordneten aus den 47 Mitgliedsländern stimmte für die Wiederaufnahme des Monitorings. Zwei Berichterstatter werden regelmäßig in die Türkei fahren, um die Einhaltung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in dem Land zu überprüfen.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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