Europäische Union:Digitale Grenzen überwinden

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Brüssel plant, den europaweiten Datenfluss zu vereinfachen und schafft sich deswegen extra einen eigenen Supercomputer an. Gleichzeitig will die Union auch neue Regeln fürs Handeln im Netz aufstellen.

Von Pia Ratzesberger, Brüssel

Wer innerhalb der Europäischen Union von einem Land ins nächste fährt, muss zwar nicht mehr am Grenzhäuschen halten. Doch geht er ins Internet, sind die Grenzen wieder da und das will man in Brüssel endlich ändern. Bei den Roaming-Gebühren war die Europäische Kommission erfolgreich, die werden von Juni an abgeschafft. Auch Film- und Musikabos von Netflix oder Spotify sollen vom kommenden Jahr an in jedem Land abrufbar sein. Doch die digitale Welt verändert sich schnell, die Kommission versucht mitzuhalten und will nun rasch zwei weitere Projekte voranbringen: freien Datenfluss sowie Regeln für Online-Plattformen. "Es stehen noch wichtige Entscheidungen aus", sagte Andrus Ansip, der fürs Digitale zuständige Vize-Präsident der Kommission. Europa soll eins sein, auch im Netz.

Noch im Herbst dieses Jahres will der Kommissar einen Gesetzesvorschlag präsentieren, nach dem sogenannte nicht-personenbezogene Daten frei von einem Land zum nächsten fließen sollen. Unternehmen sollen es so einfacher haben, weil sie nicht mit 28 verschiedenen Datenzentren in 28 Mitgliedstaaten verhandeln müssen.

Zudem will die Kommission im Frühjahr des kommenden Jahres eine Initiative vorlegen, damit ein Land Daten an ein anderes weitergeben kann, zum Beispiel aus dem Gesundheitswesen. Ein Schwede, der in Frankreich Urlaub macht, könnte sich seine Medikamente dann mit einem elektronischen Rezept abholen.

Um solch riesige Datenmengen auszuwerten, soll Europa bis spätestens 2023 einen eigenen Supercomputer bekommen, der pro Sekunde mindestens eine Trillion Rechenoperationen ausführen kann - bisher sei man in der Hinsicht noch zu sehr auf die USA und China angewiesen.

Schon vor zwei Jahren hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gefordert, endlich einen gemeinsamen digitalen Markt zu schaffen, der nämlich könne zur europäischen Wirtschaft im Jahr 415 Milliarden Euro beitragen. Die Kommission hatte im Frühjahr 2015 eine Strategie entworfen, die man bis zum Ende des Jahres 2018 umgesetzt haben will. Die Zeit also drängt. Auch, weil die Kommission eigentlich die Regeln festlegen will, bevor es die nationalen Parlamente tun. Bei den Online-Plattformen zum Beispiel.

In Deutschland gibt es bereits einen Gesetzentwurf, um Hasskommentare im Internet zu bekämpfen, die Kommission plant nun keinen eigenen mehr und will nur noch "koordinieren". Sie strebt unter anderem einheitliche Fristen an, innerhalb derer die Betreiber einer Online-Plattform auf gemeldete Inhalte reagieren müssen. Härter vorgehen will die Kommission gegen womöglich unfaire Vertragsklauseln zwischen Online-Plattformen wie Google und Firmen, die solche Plattformen nutzen.

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen würden dort verkaufen, sagte Kommissar Ansip, wüssten aber nicht, warum Produkte aus dem Sortiment fallen und wären oft mit intransparenten Entscheidungen konfrontiert. Der Musik-Streamingdienst Spotify zum Beispiel hatte sich bei der Europäischen Union beschwert, dass große Plattformen eigene Angebote in ihren Suchmaschinen bevorzugt anzeigen.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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