Europäische Union:Die schlafende Schönheit erwacht

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„Wir haben es geschafft“: Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gab sich überschwänglich. (Foto: Riccardo Pareggiani/AFP)

Die EU-Länder bringen ihre gemeinsame Verteidigungspolitik in Form. Die Außenbeauftragte Federica Mogherini jubelt.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Federica Mogherini war begeistert. So begeistert, dass sich die Außenbeauftragte der EU zu einem gewagten Zitat hinreißen ließ. "Es erscheint immer unmöglich, bis man es gemacht hat", habe der "große" Nelson Mandela gesagt. Gemeint war die neueste Errungenschaft der EU mit dem sperrigen Namen "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit", etwas besser bekannt unter der englischen Abkürzung Pesco. Sie soll dafür sorgen, dass die EU-Staaten besser und vor allem verbindlich in der Verteidigung zusammenarbeiten. "Die Leute haben geglaubt, dass es unmöglich ist, das zu erreichen. Aber wir haben es geschafft", triumphierte die Italienerin.

Trump und der Brexit haben "Pesco" schließlich vorangebracht

In den Jubel stimmten am Donnerstag dann auch die Staats- und Regierungschefs ein. Beim EU-Gipfel wurde eigens ein Fototermin mit Soldatinnen und Soldaten anberaumt, um den am Montag formell gefassten Beschluss auch angemessen zu würdigen. "Heute wird ein Traum wahr", schwärmte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Tatsächlich hatte es schon in den Fünfzigerjahren den Versuch gegeben, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu gründen. Das scheiterte. Seitdem blieb das Militärische in der europäischen Integration immer ein Stiefkind.

Im Lissabon-Vertrag bekannte sich die Europäische Gemeinschaft zwar zu der "schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik" und eröffnete die Möglichkeit einer Zusammenarbeit der Willigen. Erst zehn Jahre nach Unterzeichnung des Vertrages ist dies nun aber Wirklichkeit geworden. In der kurzen Frist von einem Jahr kam die Pesco nicht zuletzt auf Betreiben Deutschlands und Frankreichs zustande.

Zwei Faktoren haben die "schlafende Schönheit", wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Pesco nennt, schließlich zum Leben erweckt. Zum einen war das der Brexit, denn Großbritannien hatte stets Front gemacht gegen jegliche engere Verteidigungskooperation innerhalb der EU. Das Argument der Briten war, dies schade der Nato. Zum anderen veränderte die Wahl des als unberechenbar gefürchteten Rechtspopulisten Donald Trump zum US-Präsidenten die Einstellung vieler EU-Staaten: "Die Europäer müssen mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen", gelobten die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2016.

Frankreichs Regierung forderte in den Verhandlungen dann eine Pesco, die möglichst ambitioniert sein sollte, und Deutschland wiederum wollte möglichst niemanden von ihr ausschließen. "Ambitioniert und inklusiv" lautete schließlich die EU-typische Formel für den Kompromiss. Tatsächlich gehen alle Pesco-Teilnehmer 20 Verpflichtungen ein. Allen voran ist das jene, "regelmäßig den Verteidigungshaushalt real zu erhöhen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen".

Die Verpflichtungen gehen allerdings nicht so weit, dass sie selbst auf Neutralität bedachte Länder wie Österreich und Irland abschrecken würden. Es machen nun 25 der aktuell noch 28 EU-Staaten mit. Außer dem Brexitland Großbritannien bleiben nur noch Dänemark und das kleine Malta außen vor.

Die Pesco wird zunächst mit 17 Projekten starten. Ein besonders von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betriebenes Vorhaben ist dabei die Schaffung eines Europäischen Sanitätskommandos. Es soll die EU in die Lage versetzen, bei Missionen oder Operationen zügig eine medizinische Grundversorgung sicherzustellen.

Als zentral gilt außerdem ein Projekt, das die "militärische Mobilität" innerhalb der Gemeinschaft gewährleisten soll. Truppen und Gerät sollen auf diese Weise einfacher die Grenzen überqueren können. Allerdings geht es hier auch darum, die Infrastruktur wie Straßen und Brücken tatsächliche militärtauglich zu machen. Federica Mogherinis Pläne gehen indes noch über solche Vorhaben hinaus. Worauf es ankomme, sei ein "echter Beitrag zu unserer Sicherheit und zu Frieden und Stabilität in der Welt", sagte die Außenbeauftragte: Die schon vor zehn Jahre gebildeten "Battlegroups" der EU müssten im Ernstfall auch eingesetzt werden können.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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