Europa:Zweifelhafte Umfrage

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Das Eurobarometer zeige ein viel zu positives Bild, sagen Kritiker. Es verschleiert, dass viele angefragte Bürger gar nicht erst mitmachen wollten.

Von Björn Finke, Brüssel

Die Überschrift ist euphorisch: "Europäer geradezu begeistert vom Zustand der Europäischen Union", steht über der Pressemitteilung, mit der die EU-Kommission über die jüngsten Ergebnisse der Eurobarometer-Umfrage informiert. Diese Meinungsumfragen-Serie bildet seit den Siebzigerjahren ab, was die Bürger in den Mitgliedstaaten über die europäische Einigung und andere Fragen denken. Auftraggeber ist die EU-Kommission. Doch Statistikfachleute äußern nun Zweifel an der Zuverlässigkeit der Umfrage und klagen, dass sie die Stimmung auf dem Kontinent zu EU-freundlich darstelle.

Auslöser ist eine Recherche der dänischen Zeitung Information. Diese hat sich Antwortquoten in den Jahren 2016 bis 2018 angeschaut. Die Quote gibt an, wie viele der von den Meinungsforschern angefragten Bürger mitmachen wollten. In zahlreichen Staaten, darunter Deutschland, ist diese Quote der Zeitung zufolge sehr niedrig. Bei einer Erhebung Anfang 2018 wollten zum Beispiel nur 15 Prozent der kontaktierten deutschen Haushalte Antworten erteilen. Die Umfrage-Institute arbeiten nicht mit Telefonanrufen, sondern schicken jemanden zu den Bürgern nach Hause - dieses eher mühselige Verfahren könnte dazu beitragen, dass viele Bürger abwinken.

Statistikexperten bemängeln, dass derartig geringe Quoten die Resultate verfälschen. Gerade Bürger, die nur wenig von der EU halten oder die einen geringen Bildungsgrad hätten, würden vermutlich eine Teilnahme verweigern und seien daher unterrepräsentiert, heißt es. Deswegen würden die oft zitierten Eurobarometer-Umfragen ein zu freundliches Meinungsbild zeichnen, so die Kritik. Hermann Schmitt vom Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung sagte dem dänischen Blatt, es sei unmöglich, das Ausmaß an EU-Skepsis mit einer Antwortrate von nur 15 Prozent zu ermitteln. Fachleute halten bei solchen Umfragen eine Quote von mindestens 40 bis 50 Prozent für nötig.

Ein Eurobarometer-Sprecher räumte gegenüber der dänischen Zeitung ein, dass die Antwortquoten sinken und dass höhere Werte besser wären, widersprach aber der Einschätzung, dass dies alles verfälsche. Allerdings werde gerade an Verbesserungen gearbeitet, und da solle es auch um das Problem der Antwortquoten gehen.

© SZ vom 04.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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