Europa:Vom Wert der Eintracht

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In der Außenpolitik kann eine gestärkte EU mehr bewirken als selbst der stärkste Mitgliedstaat. Das gilt auch in den schwierigen Beziehungen zu Iran. Doch die Europäische Union wird nur reüssieren, wenn ihre Mitglieder das auch wirklich wollen.

Von Daniel Brössler

Zu Beginn der Woche bricht Federica Mogherini zu einer delikaten Reise auf. Die oberste Außenpolitikerin der Europäischen Union besucht zunächst Saudi-Arabien. Dort wird sie versuchen, Bedenken entgegenzutreten, die sich mit der Einigung im Streit über das iranische Atomprogramm verbinden. Sodann reist sie nach Teheran weiter, wo sie die Iraner an die in Wien eingegangenen Verpflichtungen erinnern, aber auch die Chancen betonen wird, die sich für das Land nun ergeben. Mogherinis Überzeugungskraft hängt dabei - wie stets - von der Einigkeit jener ab, die sie vertritt. Deshalb ist es so ärgerlich, dass der Wirtschaftsminister des größten EU-Landes glaubte, unbedingt als Erster nach dem Wiener Atomdeal in Teheran aufschlagen zu müssen.

Es wird oft davon gesprochen, wie begrenzt doch die Möglichkeiten der EU in der internationalen Politik seien. Gern wird darauf verwiesen, letztlich könne nur mit der kombinierten Macht einiger weniger Nationalstaaten, vor allem Deutschlands und Frankreichs, etwas bewegt werden. Wie die federführende Rolle der EU-Diplomaten bei den Verhandlungen der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit Iran gezeigt hat, ist das zumindest nicht die ganze Wahrheit. Zum einen ist die EU durchaus in der Lage, einen diplomatischen Mehrwert zu schaffen. Zum anderen sind große Mitgliedstaaten nicht davor gefeit, ihre Macht zum Schaden des Ganzen auszuspielen.

In Israel und in Teilen des US-Kongresses hat es in den langen Jahren der Iran-Verhandlungen immer den Verdacht gegeben, es gehe einigen weniger um den Frieden als ums Geschäft. Gabriels streberhafter Sprint nach Teheran scheint diesen Verdacht nicht nur zu bestätigen, er vermittelt dem iranischen Regime auch die gefährliche Botschaft, dass die Europäer nicht gar so verlässlich an einem Strang ziehen, wenn erst die großen Aufträge locken.

Es stimmt, dass Europas auswärtiger Dienst nationale Außenpolitik nicht ersetzen kann. Alle EU-Staaten verfolgen nationale Interessen, zu denen selbstverständlich auch wirtschaftliche gehören. Auf dem iranischen Markt sind die europäischen Partner, wie auf jedem anderen auch, Konkurrenten. Doch genau darin liegt, wenn es funktioniert, auch die europäische Stärke: in der Fähigkeit, sich trotzdem nicht auseinanderdividieren zu lassen. Und in der Bereitschaft, rein nationale Interessen nicht in den Vordergrund zu stellen.

Eine einige EU ist stärker als der mächtigste Mitgliedstaat

Die EU ist darin häufig besser als ihr zugestanden wird. Das gilt etwa für die Sanktionspolitik gegenüber Russland. Bislang ist es - trotz verschiedener Interessen und unterschiedlicher Betroffenheit - gelungen, 28 Mitgliedstaaten in dieser Frage zusammenzuhalten. Europäische Außenpolitik ist immer ein Kompromiss, was eine Schwäche sein kann, aber nicht sein muss. Ist es erst einmal gelungen, die ganze Union hinter einer Linie zu versammeln, erwächst daraus eine hohe Legitimation. Europa kann dann - theoretisch - mit stärkerem Gewicht auftreten als auch der stärkste Mitgliedstaat.

Praktisch hängt das von der Bereitschaft in den Hauptstädten ab, Aufgaben nach Brüssel zu delegieren, und von der Fähigkeit des Personals dort, diese Aufgaben zu übernehmen. In ihrem ersten Jahr im Amt hat die Außenbeauftragte Mogherini jedenfalls den Willen gezeigt, den Job auszufüllen. Anders als ihre Vorgängerin Catherine Ashton versteht sie sich als Sprachrohr der europäischen Diplomatie nach innen und außen. Weder im Ukraine-Konflikt noch beim europäischen Anteil an der Friedenssuche im Nahen Osten aber konnte sie bisher eine Führungsrolle gewinnen. Umso wichtiger ist es, dass sie sich nun bei der Umsetzung der Atom-Einigung mit Iran beweist. Das geht aber nur, wenn auch die großen EU-Staaten das wollen.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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