Europa:Visa gegen Bares

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Viele EU-Staaten machen gutes Geld mit dem Verkauf von Aufenthaltsgenehmigungen. Die Kommission sieht das zwar kritisch, will aber vorerst nichts unternehmen.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Die EU-Kommission hat viel Lob dafür erhalten, dass sie Ende Oktober Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta und Zypern eingeleitet hat, um die umstrittene Vergabe von Staatsbürgerschaften zu prüfen. Gegen eine Investition von zwei Millionen Euro erhielten Ausländer in Zypern den begehrten Pass eines EU-Mitglieds. Und wie Al-Jazeera aufdeckte, wurden potenzielle Neubürger nicht immer streng auf Vorstrafen untersucht.

"Europäische Werte stehen nicht zum Verkauf", hat Ursula von der Leyen erklärt, und weil Zyperns Regierung mitgeteilt hat, das Programm mit den "goldenen Pässen" zumindest "in bisheriger Form" einzustellen, hat die Kommissionspräsidentin eine Sorge weniger. Allerdings plant die Behörde nicht, härter gegen jene EU-Staaten vorzugehen, die im Austausch für Investitionen "goldene Visa" vergeben. Dies hat von der Leyen in einem Brief, der der SZ vorliegt, dem Europaabgeordneten Sven Giegold mitgeteilt.

Sie stimme zu, dass die Programme zur Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen "sehr ähnliche Bedenken in Sachen Sicherheit, Geldwäsche und Korruption" aufwürfen wie jene Angebote der "goldenen Pässe". Leider führten die Mitgliedstaaten die nötigen Kontrollen nicht immer so "transparent und rigoros" durch, wie dies nötig sei, schrieb von der Leyen am 17. November.

Portugal hat 5,5 Milliarden Euro eingenommen

Giegold fordert ebenfalls Vertragsverletzungsverfahren. "Bürgerrechte dürfen nicht zur Handelsware werden. Sie werden entwertet, wenn sie nicht durch Integration erlangt werden", sagt der Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament. Er fürchtet, dass so die Akzeptanz der EU in der Bevölkerung Schaden nimmt, und hat Länder wie Portugal im Auge, die diese Programme "erwerbsmäßig" betrieben. Seit 2012 hat das Land, das 2021 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, 25 000 Visa verkauft und mehr als 5,5 Milliarden Euro eingenommen. Die meisten "Kunden", die mindestens 500 000 Euro in eine Immobilie investieren müssen und oft ihre Angehörigen mit Aufenthaltstiteln versorgen, stammen aus China, Brasilien und der Türkei. Spanien habe mehr als 5000 Visa verkauft, auch Griechenland unterhält ein umfangreiches Programm.

Giegold wirft der Kommission "Doppelstandards" vor und betont, dass das EU-Parlament seit 2014 fordert, "goldene Pässe" und "goldene Visa" gleich zu behandeln. Deren Erwerb führe oft zur EU-Staatsbürgerschaft: In Portugal kann man nach sechs Jahren einen Pass beantragen. Die Behörde wird aufgefordert, ihren Anfang 2019 vorgelegten Bericht zum Thema zu aktualisieren und die Mitgliedstaaten zu drängen, akkurate und vergleichbare Daten zu liefern.

Dass von der Leyen anders als Jean-Claude Juncker und Frans Timmermans, die ihre Parteifreunde in Zypern, Bulgarien und Malta wegen der "goldenen Pässe" stets geschont hätten, endlich gehandelt habe, freut Giegold. Dass mehrere EU-Mitglieder Aufenthaltsgenehmigungen gegen Investitionen vergäben, dürfe aber keine Ausrede sein: "Nur weil es einige Mörder gibt, stellt die Polizei auch nicht ihre Ermittlungen ein."

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