Europa:Schäubles Erbe

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In Brüssel bekräftigt der amtierende Finanzminister Peter Altmaier (CDU) den harten Euro-Kurs seines Vorgängers. Inwiefern auch ein künftiger sozialdemokratischer Ressortchef an dieser langjährigen deutschen Linie festhalten wird, ist offen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Peter Altmaier ist kaum aus der Limousine gestiegen und zu den Reportern vor dem Europa-Gebäude gegangen, da schnauft er kurz durch und sagt ungefragt das, was er loswerden will: "Ich werde zum vierten Mal in der Euro-Gruppe die Positionen vertreten, die auch Wolfgang Schäuble immer vertreten hat." Und an die Adresse seines voraussichtlichen Nachfolgers von der SPD: "Ich glaube, jeder, der das Finanzministerium übernehmen wird nach einer Regierungsbildung, ist gut beraten, wenn er diesen Kurs verfolgt."

Das ist sie dann auch, die Botschaft des geschäftsführenden Bundesfinanzministers: Deutschland hält an Schäubles Europapolitik fest. Die CDU mag zwar das Finanzministerium an die SPD verloren haben, aber als Kanzleramtsminister wird Altmaier in Brüssel ohnehin eher als "Merkel's voice" wahrgenommen. Kein Wunder also, dass er die europäische Bühne nutzt, um Schäubles langjährige Positionen zu betonen, bevor ein Sozialdemokrat künftig den Europa-Kurs einer möglichen neuen großen Koalition von der Berliner Wilhelmstraße aus mitbestimmt.

Wobei sich die Frage stellt, ob Schäubles Positionen wirklich so unverrückbar sind. Bis zum EU-Gipfel im Juni hat Ratspräsident Donald Tusk "konkrete Entscheidungen" für die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion gefordert. Zum einen geht es um die Vollendung der Bankenunion mitsamt einer europäischen Einlagensicherung; zum anderem um den Ausbau des Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds. Alles andere ist zurzeit nicht mehrheitsfähig.

In Berlin haben die Möchtegern-Koalitionäre von CDU, CSU und SPD schon den Weg für die Euro-Reform bereitet. Sie brechen damit allerdings, anders als Altmaier es darstellt, mit einer klaren Position Schäubles. Der frühere Finanzminister hatte stets darauf gedrungen, dass ein Europäischer Währungsfonds zwischenstaatlich organisiert wird - sodass die Länder die Kontrolle behalten. Im Koalitionsvertrag, über den die SPD-Mitglieder noch abstimmen, steht aber etwas anderes - nämlich die Weiterentwicklung des ESM "zu einem parlamentarisch kontrollierten Europäischen Währungsfonds, der im Unionsrecht verankert sein sollte." Für Altmaier ist dabei eines wichtig: "Wir wollen kein Weisungsrecht vonseiten der EU-Kommission." Die Stimmrechte dürften nicht angetastet werden. Das klingt dann wiederum schon etwas mehr nach Schäuble.

Kontinuität zeigt Altmaier vor allem bei der Frage, ob deutsche Sparer europaweit für Bankeinlagen haften sollen. Schäuble hatte die Einlagensicherung nie ausgeschlossen. Er stellte nur Bedingungen, die erfüllt sein müssen, bis es dazu kommt. Dieser Linie bleibt Altmaier treu. Er pocht darauf, dass zunächst die Risiken in den Bankbilanzen reduziert werden müssten - erst dann könne man politisch verhandeln. Dies habe er seinen europäischen Kollegen erklärt. Er möchte nicht von einem "reinigenden Gewitter" reden, sagt Altmaier, aber es sei notwendig gewesen. Eine Einigung gebe es, wenn überhaupt, im Juni.

Insbesondere Italien hofft darauf, dass ein sozialdemokratischer Finanzminister das mit der Risikoreduzierung flexibler angeht. Wobei auch der Regierung in Rom bewusst ist, welche Macht die Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen in Deutschland haben. Die Geldhäuser lehnen eine europäische Einlagensicherung kategorisch ab. Das dürfte auch einem Hamburger Bürgermeister nicht entgangen sein. In Brüssel geht man jedenfalls davon aus, dass es beim Juni-Gipfel einen überarbeiteten Zeitplan für die Vollendung der Bankenunion geben wird. Bis es also tatsächlich zu einer europaweiten Einlagensicherung kommt, könnten noch viele Jahre vergehen.

Bleibt noch die Forderung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach einem Euro-Zonen-Haushalt. In Berlin ist man dem Vorschlag nicht abgeneigt; im Gespräch sind etwa Summen von 10 bis 15 Milliarden Euro - also weitaus weniger als Macron vorschwebt. Der mögliche neue SPD-Finanzminister, Olaf Scholz, hat bereits erkennen lassen, dass er einer europäischen Investitionsoffensive nicht abgeneigt ist.

Und noch eines soll Frankreich und Deutschland zusammenschweißen: der Kampf gegen Steuervermeidung. Bis Ende des Jahres wolle man sich auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für Unternehmensteuern einigen, sagt Altmaier. Da dürfte auch SPD-Mann Scholz nichts dagegen haben.

© SZ vom 21.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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