Europa:Frischer Impuls für die Balkan-Politik

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Konstruktiver Versuch: Angela Merkel und Emmanuel Macron mit Serbiens Präsidenten Aleksandar Vučić. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron empfangen Vertreter von acht Ländern der Region. Von Grenzverschiebungen ist keine Rede mehr.

Von Peter Münch, Berlin

Gemeinsam haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Versuch gestartet, neue Bewegung in den festgefahrenen Konflikt zwischen Serbien und Kosovo zu bringen. Zu einem Gipfeltreffen, das sie beide zur Eröffnung als "offene Diskussion" ohne Beschlussfassung bezeichneten, haben sie dazu am Montagabend Staats- und Regierungschefs aus acht Staaten der Balkan-Region ins Berliner Kanzleramt geladen. Betont wurde dort einem Entwurf der Abschlusserklärung zufolge "die Bedeutung eines Abkommens über die volle Normalisierung der Beziehungen für die Stabilität in der Region und für die europäische Perspektive" der beiden Länder. Kosovo hatte sich 1999 im Krieg von Serbien gelöst und 2008 für unabhängig erklärt. Serbien erkennt das nicht an.

Das recht kurzfristig angesetzte hochrangige Treffen kam auf Initiative Merkels zustande, die einen "gemeinsamen Impuls" in der auch innereuropäisch hoch komplizierten und längst nicht homogenen Balkan-Politik als Ziel ausgab. Neben den Vertretern aus Serbien, Kosovo, Montenegro, Albanien, Bosnien, Nordmazedonien, Kroatien und Slowenien war auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini geladen, die im vorigen Jahr offenbar unabgesprochen eine Debatte über Grenzverschiebungen als Grundlage einer Einigung zwischen Serbien und Kosovo befeuert hatte. Merkel dagegen hatte als Reaktion darauf die Grenzen für "unantastbar" erklärt, weil bei Veränderungen neue Konflikte in der Region drohten und die seit den Balkan-Kriegen der Neunzigerjahre geltenden EU-Grundsätze konterkariert würden. In dem nun vorab mit allen Seiten weitgehend abgestimmten Entwurf der gemeinsamen Erklärung werden Grenzveränderungen nicht erwähnt, sondern es wird gleich mehrfach auf die Notwendigkeit verwiesen, dass ein Abkommen zur regionalen Stabilität beitragen müsse.

Von Grenzveränderungen ist im Entwurf für die gemeinsame Erklärung keine Rede mehr

Um in der problembeladenen Region auch auf positive Entwicklungen zu verweisen, wird Nordmazedonien als "herausragendes Beispiel für erfolgreiche Konfliktlösung" belobigt. Dort hat sich die Regierung nach jahrezehntelangem Streit mit dem Nachbarn Griechenland und gegen den Widerstand von Nationalisten darauf geeinigt, den Staatsnamen mit dem Präfix "Nord" zu versehen, um die geforderte Unterscheidung zur griechischen Nordregion Makedonien zu schaffen. Damit ist ein beträchtliches Hindernis auf dem Weg zur Mitgliedschaft des Landes in Nato und EU aus dem Weg geräumt worden.

Innerhalb der EU ist es allerdings umstritten, wie schnell die Regierung in Skopje für ihre Rolle bei der Einigung mit Athen belohnt wird. Eigentlich war die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und auch Albanien für Juni, also unmittelbar nach der EU-Parlamentswahl, geplant. Doch Frankreich bremst, weil Präsident Macron generell die Reform und Vertiefung der bestehenden EU verlangt, bevor eine neue Erweiterungsrunde um die sechs Staaten des Westbalkans konkret wird. Auch in Berlin betonte er ausdrücklich, dass es bei diesem Treffen "nicht um Beitrittspolitik" gehe. Das Thema der Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien ist deshalb verlagert worden auf bilaterale Gespräche, die Merkel vor Beginn des abendlichen Gipfeltreffens gesondert mit den Ministerpräsidenten Zoran Zaev aus Skopje und Edi Rama aus Tirana führte. Beim folgenden Arbeitsgruppentreffen und Abendessen aller Teilnehmer standen dann konkrete Probleme zwischen Serbien und Kosovo auf der Agenda wie die Strafzölle von 100 Prozent auf serbische Güter, die von der kosovarischen Regierung im Dezember eingeführt worden waren, nachdem Serbien die Aufnahme des Landes bei Interpol verhindert hatte. Merkel nannte das als Beispiel für "negative Entwicklungen". Seitdem jedenfalls herrscht Eiszeit in dem von der EU initiierten Verhandlungsprozess zwischen Serbien und Kosovo. Im Entwurf der Abschlusserklärung werden nun beide Seiten zur Rückkehr zu einem "konstruktiven Dialog" aufgefordert.

Neue Initiativen in der Balkan-Politik sind für die EU auch deshalb wichtig, weil in der Region zunehmend andere Kräfte um Einfluss ringen. Russland betont dabei die slawische Bruderschaft, die Türkei bemüht sich besonders um die Muslime in Bosnien, und China knüpft wirtschaftliche Verbindungen.

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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