EU:Not macht aktionistisch

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Die Irrfahrt der "Aquarius" zeige, dass kein Meer Flüchtlinge abhalten könne: Die EU-Kommission fordert eine schnelle Reform der Migrationspolitik an.

Von Daniel Brössler, Straßburg

Das Schicksal der Menschen auf dem Rettungsschiff Aquarius im Mittelmeer erhöht aus Sicht der EU-Kommission den Druck auf die Staats- und Regierungschefs, ihre Blockade in der Migrationspolitik zu überwinden. "Die Situation im Mittelmeer erinnert uns daran, dass wir die Probleme nicht wegwünschen können", sagte der erste Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, am Dienstag vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. "Kein Zaun ist hoch genug, kein Meer breit genug, um unsere Länder immun zu machen gegen den größten Pull-Faktor, den es gibt - den Frieden, die Prosperität und die Stabilität unserer Union", betonte er.

Beim EU-Gipfel Ende Juni wollen die Staats- und Regierungschefs über eine Reform der Migrations- und Asylpolitik beraten. Bislang liegen die Positionen allerdings weit auseinander. Mehrere Staaten, insbesondere im Osten der EU, wenden sich gegen jedwede Zuwanderung. "Es ist jetzt Zeit zu handeln", mahnte Timmermans. "Hier stehen nicht nur unsere Werte auf dem Spiel, auch unsere Menschlichkeit kann infrage gestellt werden. Wir müssen Menschen in Krisensituationen als menschliche Wesen sehen", forderte er. Die EU-Kommission kündigte die Einrichtung zweier milliardenschwerer Fonds für Asyl und Migration sowie für den Grenzschutz an.

Im Europäischen Parlament löste die Entscheidung der neuen populistischen Regierung in Italien, die 629 Menschen an Bord der Aquarius nicht an Land zu lassen, Kritik aus. An den italienischen Innenminister Matteo Salvini gerichtet, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann: "Wenn Sie, was Sie für Ihre Stärke halten, auf Kosten schwangerer Frauen und Kinder demonstrieren müssen, wissen Sie gar nicht, wie tief Sie gesunken sind." Es treffe zu, dass Italien in der Migrationskrise bisher einen Hauptanteil der Last übernommen habe, für die neue Politik gebe es aber keine Rechtfertigung.

"Wann trifft der Europäische Rat endlich eine Entscheidung, wann übernimmt er die Verantwortung?", fragte der Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt. Es müssten nun schnell "europäische Empfangszentren" in den Transitländern errichtet werden, in denen Asyl in Europa beantragt werden könne. Dem Europäischen Rat, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs, drohte er eine Klage vor dem EU-Gerichtshof wegen vertragswidriger Untätigkeit an. Artikel 265 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU sieht diese Möglichkeit vor.

© SZ vom 13.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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