EU-Migrationspakt:Von der Leyen will Neustart in Asylpolitik

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Die EU-Kommissionschefin schlägt vor, Migranten aus bestimmten Ländern schneller abzuschieben. Unwillige Staaten sollen nur ausnahmsweise zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet werden.

Von Matthias Kolb und Constanze von Bullion, Brüssel/ Berlin

Ein Mädchen am Zaun des Übergangslagers für Flüchtlinge auf Lesbos. (Foto: Yara Nardi/Reuters)

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, drängt die Mitgliedstaaten, die europäische Asyl- und Migrationspolitik zu reformieren. "Das alte System funktioniert nicht mehr", sagte sie am Mittwoch bei der Vorstellung des lange erwarteten Asyl- und Migrationspakts. Die in Brüssel präsentierten Vorschläge bilden von der Leyen zufolge ein "faires und angemessenes Gleichgewicht zwischen Verantwortung und Solidarität" unter den EU-Ländern und die Chance auf einen "Neustart".

Um den seit Jahren schwelenden Streit über die Verteilung von Flüchtlingen zu beenden, will die Behörde künftig an den EU-Außengrenzen entscheiden, welche Menschen aus Drittstaaten ein klassisches Asylverfahren durchlaufen und welche ein beschleunigtes, sogenanntes Grenzverfahren. In jedem Fall ist vor der Einreise in die EU ein Screening nötig, mit Identitätsklärung sowie Sicherheits- und Gesundheitschecks. Auch die Schutzbedürftigkeit soll hier geprüft werden. Kommen Asylbewerber aus Ländern mit geringen Anerkennungsquoten wie Marokko, soll in zwölf Wochen ein beschleunigtes Grenzverfahren durchgeführt werden. Die Entscheidung, wer ein solches Schnellverfahren bekommt und wer ein reguläres, könne rechtlich nicht angefochten werden, sagten Kommissionsbeamte. Erst im eigentlichen Asyl- oder Abschiebungsverfahren stünden Rechtsmittel zur Verfügung.

"Ich möchte, dass wir schnelle Entscheidungen und schnelle Rückführungen haben", sagte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Ihr Konzept sieht ein dreistufiges Verfahren vor, in dem die EU-Staaten einander unterstützen. Bei durchschnittlichem Andrang von Migranten ist die Hilfe freiwillig. Gerät ein EU-Land stärker unter Druck, kann es einen Mechanismus aktivieren. Dann müsste die EU-Kommission prüfen, wie viele Menschen dem Land abzunehmen sind. Alle anderen EU-Mitglieder sollen dann Hilfe anbieten. Sie könnten Migranten mit Aussicht auf einen Schutzstatus bei sich aufnehmen - oder alternativ Abschiebungen an der EU-Außengrenze verantwortlich durchführen. Illegales Weiterwandern aus Asylzentren am Rand der EU soll ausgeschlossen werden.

Um Ländern wie Ungarn oder Polen in den bevorstehenden Verhandlungen die Zustimmung zu erleichtern, sollen EU-Staaten nur in Ausnahmefällen zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet sein. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte den Vorschlag der Kommission als "gute Grundlage für weitere Verhandlungen". Man steige nun umgehend in bilaterale Gespräche ein. "Dann wird sich herausschälen, wie andere EU-Staaten sich verbindlich einlassen." Er appelliere an alle EU-Partner, "jetzt nicht reflexartig in die Deckung zu gehen". Seehofer kündigte an, das Budget für die Grenzschutzagentur Frontex weiter aufstocken zu wollen. Keine Einwände habe er gegen den Vorschlag, Asylbewerbern eine Zusammenführung mit Verwandten in der EU zu ermöglichen. Die Kommission will außerdem unbegleitete Minderjährige und kleine Kinder vor den Härten des beschleunigten Grenzverfahrens verschonen.

© SZ vom 24.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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