EU-Haushalt:Ohne Einigung kein Geld

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Merkel und Orbán beim EU-Gipfel im Oktober. (Foto: Dursun Aydemir/picture alliance / AA)

Europaparlament und Mitgliedstaaten verhandeln über EU-Etat und Corona-Hilfstopf. Die Zeit drängt: In dieser Woche muss der Durchbruch gelingen - doch es droht Ungemach aus Ungarn.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um sehr viel Geld - und die Zeit drängt: Am Montag verhandelten wieder Vertreter des Europaparlaments mit dem deutschen EU-Botschafter Michael Clauß über den Brüsseler Etat und den Corona-Hilfstopf. Die Gespräche begannen am Morgen und wurden dann am Abend vertagt; an diesem Dienstag soll es am Nachmittag weitergehen. Die EU-Kommission warnt bereits, dass der Etatplan nicht pünktlich zum Januar in Kraft treten kann, wenn auch diese Woche kein Durchbruch gelingt. Ein Sprecher von Clauß bezeichnete die Verhandlungen am Montag als "intensiv, aber letztlich konstruktiv". Der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen, einziger Deutscher in der sechsköpfigen Delegation des Parlaments, gab sich zuversichtlich und sagte, beide Seiten bräuchten die Unterbrechung, um die letzten offenen Punkte intern abzuklären.

Das Europaparlament muss dem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) zustimmen, damit dieser grobe EU-Etat für die sieben Jahre von 2021 bis 2027 wirksam wird. Und die Abgeordneten verlangen mehr Geld für wichtige EU-Programme wie Erasmus zum Studentenaustausch oder Horizon zur Forschungsförderung. Verhandlungspartner ist der deutsche EU-Botschafter, der für alle 27 Mitgliedstaaten spricht, da Deutschland im Juli die rotierende Ratspräsidentschaft übernommen hat.

Die Staats- und Regierungschefs einigten sich beim Gipfel im Juli auf einen MFR von 1074 Milliarden Euro plus 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbaufonds, also den Corona-Hilfstopf. Botschafter Clauß betont stets, dass das Gesamtvolumen nicht erhöht werden könne, weil dafür ein neuer Gipfel nötig sei. Stattdessen bietet er an, innerhalb des Budgets Mittel umzuschichten zugunsten der Programme, die den Parlamentariern am Herzen liegen. Die Abgeordneten drängen dagegen auf "frisches Geld", wie sie es ausdrücken: Die Staaten sollten den MFR ein wenig aufstocken, auch könnte vereinbart werden, dass die Zinszahlungen für den schuldenfinanzierten Corona-Hilfstopf nicht den EU-Etat belasten. Wegen dieses Konflikts verliefen die Gespräche sehr zäh.

Dafür gelang bei anderen - davon getrennt geführten - Verhandlungen vergangene Woche der Durchbruch. Clauß und Vertreter des Parlaments einigten sich auf einen Rechtsstaatsmechanismus. Demnach soll die EU-Kommission erstmals die Möglichkeit erhalten, die Zahlung von Fördergeldern an Mitgliedstaaten auszusetzen, wenn in den Empfängerländern der Rechtsstaat nicht funktioniert. Die Parlamentarier forderten ursprünglich einen härteren Mechanismus, der einfacher ausgelöst werden kann, zeigten sich aber am Ende mit dem Kompromiss zufrieden.

Aus Budapest erreicht EU-Vertreter ein geharnischter Brief

Gegner solch eines Instruments sind die Regierungen von Polen und Ungarn - wenig überraschend, denn gegen beide laufen bereits EU-Verfahren wegen Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit. Die Länder werden jedoch nicht verhindern können, dass der Ministerrat, das Entscheidungsgremium der Mitgliedstaaten, den ausgehandelten Kompromiss annimmt, denn hierfür ist keine Einstimmigkeit nötig. Allerdings haben Ungarn und Polen einen anderen Hebel: Die 27 Regierungen und die meisten nationalen Parlamente müssen noch der Neuerung zustimmen, dass die Kommission für den Corona-Topf erstmals im großen Stil Schulden aufnehmen darf. Und das Plazet zu diesem sogenannten Eigenmittelbeschluss könnten Warschau und Budapest verweigern. Dann würde der Hilfstopf, der 390 Milliarden Euro an nichtrückzahlbaren Zuschüssen und 360 Milliarden Euro an günstigen Darlehen verteilen soll, nicht aktiv werden.

Nach der Einigung auf den Rechtsstaatsmechanismus schickte Ungarns autoritärer Ministerpräsident Viktor Orbán bereits einen geharnischten Brief an hochrangige EU-Vertreter. Darin droht er sein Veto gegen das Gesamtpaket an, weil die neue Klausel angeblich zu politischem Missbrauch einlade, wie er moniert. EU-Diplomaten und Europaparlamentarier äußern aber Zweifel daran, dass es Budapest und Warschau tatsächlich wagen würden, den Corona-Fonds zu blockieren.

Die allermeisten Zuschüsse aus dem Fonds sollen über ein neues EU-Programm ausgeschüttet werden, mit dem die Kommission staatliche Investitionen und Reformen fördern will. Auf die genauen Regeln müssen sich EU-Parlament und Ministerrat jedoch noch einigen. Am Montag verabschiedeten die Abgeordneten ihr Verhandlungsmandat, jetzt können die Gespräche beginnen. Hier steht eine weitere schwierige Debatte an, und auch hier gilt: Ohne Einigung fließt kein Geld.

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