EU:«Gefängnis oder Sieg»: Nervenkrieg in Kiew

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Kiew (dpa) - Nervenkrieg im ukrainischen Machtkampf: Sicherheitskräfte haben im Regierungsviertel von Kiew erste Barrikaden der proeuropäischen Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko geräumt.

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Kiew (dpa) - Nervenkrieg im ukrainischen Machtkampf: Sicherheitskräfte haben im Regierungsviertel von Kiew erste Barrikaden der proeuropäischen Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko geräumt.

Für Aufsehen sorgten Berichte, wonach maskierte Sondereinheiten die Zentrale der Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gestürmt haben sollen. Polizei und Geheimdienst wiesen dies zurück.

Im Stadtzentrum ließen die Behörden Einheiten des Innenministeriums aufmarschieren. Die russische Agentur Itar-Tass meldete, insgesamt seien 6000 Sicherheitskräfte im Einsatz. An diesem Dienstag läuft ein Ultimatum der Behörden ab. Sie fordern, dass Regierungsgegner besetzte Gebäude in der Millionenmetropole räumen.

Demonstranten versperrten Straßen und Gehwege der Hauptstadt mit Stacheldraht, Baumstämmen und Autos. Beobachter in Kiew sprachen am Montag von einem „unerbittlichen Stellungskrieg wie bei Partisanen“. Ihnen standen Hunderte Polizisten mit Helmen, Schutzanzügen und Schilden am Unabhängigkeitsplatz (Maidan) und dem benachbarten Prachtboulevard Kreschtschatik gegenüber.

Klitschko kritisierte den Aufmarsch scharf. Der prorussische Präsident Viktor Janukowitsch versuche vermutlich, die mehreren Tausend Regierungsgegner einzuschüchtern. „Aber wir bleiben. Ich rufe alle Regierungsgegner auf, zum Maidan zu kommen“, sagte Klitschko. Der frühere Innenminister Juri Luzenko sagte in einem Zeitungsinterview, für die Opposition gebe es nur zwei Möglichkeiten: „Gefängnis oder Sieg“. Bei einem der größten Proteste in Kiew seit Jahren hatten am Vortag Hunderttausende den Rücktritt der Regierung gefordert.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton will von diesem Dienstag an in Kiew zwischen den verfeindeten Lagern vermitteln. Die Opposition in der Ex-Sowjetrepublik demonstriert seit knapp drei Wochen gegen den auf Druck Moskaus gestoppten EU-Kurs der Führung.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte, die Demonstrationen im zweitgrößten Flächenstaat Europas zeigten, „dass der europäische Wunsch der Menschen in der Ukraine ungebrochen“ sei. Die „friedlichen Proteste“ dürften nicht „mit Druck, Drohungen oder Gewalt, von welcher Seite auch immer, untergraben“ werden.

Polizisten und mit Maschinenpistolen bewaffnete Mitglieder der Sondereinheit „Berkut“ (Steinadler) seien in die Räume der Vaterlandspartei eingedrungen und hätten Türen zerstört sowie Rechner beschlagnahmt, sagte eine Parteisprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Fotos zeigten kleinere Schäden. Die Behörden wiesen jede Verantwortung zurück.

Ebenfalls am Dienstag will Janukowitsch mit seinen drei Vorgängern über die schwierige Lage beraten. Der Präsident wolle auch einen Runden Tisch mit Regierungsgegnern, teilte ein Sprecher mit. Dazu sagte Klitschko aber, er sei zu einem Dialog nur bereit, wenn der Präsident Neuwahlen in Aussicht stelle. Nach dem Aufruf des früheren Außenministers Arseni Jazenjuk, das Regierungsviertel zu blockieren, leiteten die Sicherheitsbehörden Ermittlungen gegen die Opposition wegen Umsturzversuchs ein.

„Wir werden unseren Maidan verteidigen“, kündigte Jazenjuk von Timoschenkos Vaterlandspartei an. Die Macht gehöre dem ukrainischen Volk, nicht dem Präsidenten. Klitschko besuchte mit seinem Bruder Wladimir Oppositionsanhänger auf dem Maidan und an den Barrikaden. „Wir tun dies, damit Präsident Viktor Janukowitsch unsere Forderungen endlich hört“, sagte er. „Die Sperrungen bleiben, bis unsere Forderung nach Neuwahlen erfüllt ist.“

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