EU:Brüssel verschont Defizitsünder

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Kommission will Portugal und Spanien mehr Zeit geben und verschiebt Entscheidung über mögliche Sanktionen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Spanien und Portugal drohen vorerst keine Geldstrafen aus Brüssel. Die EU-Kommission hat darauf verzichtet, die laufenden Verfahren wegen anhaltend hoher Haushaltsdefizite in beiden Ländern zu verschärfen. "Dies ist wirtschaftlich und politisch nicht der richtige Zeitpunkt für diesen Schritt", sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Mittwoch in Brüssel. Beide Staaten bekämen ein zusätzliches Jahr Zeit, um ihre Defizite in den Griff zu bekommen. Portugal hat nun bis zum Herbst 2016 Gelegenheit für Korrekturen, Spanien bis 2017.

Anfang Juli will die EU-Kommission erneut über die Lage beraten. Hat die Behörde dann den Eindruck, dass die Staaten nicht genug gegen ihre Haushaltsdefizite tun, könnte sie trotz der Fristverlängerung Geldstrafen verhängen. Ein Beschluss würde aber erst nach den Neuwahlen in Spanien am 26. Juni fallen. Dass die Kommission ihre Entscheidung entgegen erster Absicht vertagt hat, gilt als taktisches Manöver; das heikle Thema wird so nicht in den spanischen Wahlkampf hineingezogen.

Die Brüsseler Behörde schlug am Mittwoch lediglich vor, Madrid und Lissabon "eine dauerhafte Korrektur des übermäßigen Defizits zu empfehlen". Dafür müssten notwendige Strukturmaßnahmen ergriffen und alle zusätzlichen Budgetgewinne für die Defizit- und Schuldenreduzierung eingesetzt werden. Nach den EU-Regeln darf die Neuverschuldung eines Staates nicht über drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Die Kommission hatte schon im Jahr 2009 Defizitverfahren gegen Spanien und Portugal eingeleitet.

Madrid verletzt seit acht Jahren den Stabilitäts- und Wachstumspakt

Madrid verletzt seit nunmehr acht Jahren den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Bereits 2015 hatte die spanische Regierung versprochen, das Defizit auf 4,2 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Die EU-Kommission gab Spanien immer mehr Zeit, um die Zahlen in Ordnung zu bringen. Doch das für 2015 vereinbarte Defizitziel von 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wurde deutlich verfehlt. Die Neuverschuldung lag im vergangenen Jahr bei 5,1 Prozent der Wirtschaftsleistung, auch wegen der vor den Dezember-Wahlen vereinbarten Steuersenkungen und steigender Staatsausgaben. Für dieses Jahr erwartet die Kommission 3,9 Prozent und für das kommende Jahr 3,1 Prozent.

Auch Portugal bekam seine Neuverschuldung im vergangenen Jahr nicht in den Griff. Trotz gegenteiliger Zusicherung lag sie bei 4,4 Prozent der Wirtschaftsleistung - und damit deutlich über dem Erlaubten. Die Kommission rechnet nun damit, dass die Lissabonner Regierung die Kriterien des Pakts in diesem Jahr mit 2,7 Prozent wieder erfüllt. 2017 werden 2,3 Prozent anvisiert.

Im Defizitverfahren kann die Europäische Kommission bei anhaltenden Verstößen zunächst Geldstrafen von jährlich 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung des betroffenen Landes verhängen. Im Fall von Spanien wären dies 2,16 Milliarden Euro und bei Portugal 359 Millionen Euro. Außerdem würden Mittel aus den EU-Strukturfonds vorübergehend nicht ausgezahlt. Gemäß europäischem Recht entscheiden die EU-Finanzminister nach Empfehlung der Kommission über entsprechende Maßnahmen.

© SZ vom 19.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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