EU:Brüssel leitet Verfahren gegen Ungarn ein

Lesezeit: 1 min

Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des umstrittenen neuen Hochschulgesetzes von Viktor Orbán eingeleitet.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Im Streit um ein neues Hochschulgesetz in Ungarn hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land eingeleitet. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde verstößt das Gesetz in mehrfacher Hinsicht gegen europäisches Recht. "Das Gesetz ist ein Angriff auf ein freies Europa", sagte EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans bei einer Aussprache mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán am Mittwoch im Europäischen Parlament.

Die EU-Kommission ist der Meinung, dass das Gesetz die Central European University (CEU) in Budapest bedroht, die der US-Milliardär George Soros im Jahr 1991 gründete. Die Behörde kam in ihrer Prüfung des Gesetzes zu dem Schluss, dass es Binnenmarktregeln ebenso verletzt wie die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, die akademische Freiheit sowie das Recht auf Bildung. Außerdem beeinträchtige das Gesetz die in der europäischen Grundrechte-Charta verankerte unternehmerische Freiheit und verstoße gegen internationale Handelsabkommen. Die ungarische Regierung hat nun einen Monat Zeit, darauf zu reagieren.

Orbán attackierte erneut den CEU-Gründer Soros. Dieser habe mit seinen Finanzspekulationen das Leben europäischer Bürger zerstört. Die CEU sei nicht bedroht, aber Ungarn werde aufgrund von Unwahrheiten verurteilt. Dies sei in etwa so, als würde man jemanden eines Mordes beschuldigen und verurteilen, obwohl das angebliche Opfer noch lebt. Er müsse sicherstellen, dass ungarische Universitäten nicht ins Hintertreffen gerieten, sagte Orbán. Mit dem Gesetz wird die Befugnis von Universitäten mit Hauptsitz außerhalb der EU eingeschränkt, ungarische Abschlüsse zu verleihen. Zudem wird vorgeschrieben, dass ausländische Universitäten, die in Ungarn agieren, auch einen Campus in ihrem Heimatland haben müssen. Dies ist bei der Soros-Universität nicht der Fall.

Manfred Weber, der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, zu der auch Orbáns Partei Fidesz gehört, warnte davor, Ungarn zum "Schreckgespenst Europas" zu machen. Orbán sei zum Dialog bereit. Weber bat den Ministerpräsidenten, die Wünsche der Kommission umzusetzen, denn es gehe nicht um Soros, sondern um Studenten. Die Kommission kündigte zudem an, die ungarischen Asylgesetze sowie einen umstrittenen Gesetzentwurf zu Nichtregierungsorganisationen zu prüfen. Auch auf Orbáns Fragebogen-Aktion "Stoppt Brüssel!" werde man reagieren.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: