EU:Ab in den Teufelskreis

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Die Europäische Kommission befürchtet, dass der Konflikt mit Washington außer Kontrolle gerät und die Weltwirtschaft gefährdet.

Von Daniel Brössler

Da wäre der Posten 20081110. Das steht für Erdnussbutter. Oder 22083011. Dahinter verbirgt sich Bourbon Whiskey. Und natürlich 8711500. Ergo: Motorräder. Die Liste ist lang mit Produkten aus den USA, die bei der Einfuhr in die EU demnächst mit Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent belegt werden könnten. Liebhaber eines bestimmten Brotaufstrichs, hochprozentiger Alkoholika aus dem Süden der USA oder der Motorradmarke Harley-Davidson könnten also unter den Ersten sein, die in Deutschland und anderswo in der EU die Folge des beginnenden Handelskrieges zu spüren bekommen, die US-Präsident Donald Trump mit seinen Strafzöllen auf Stahl und Aluminium losgetreten hat. Noch sind die Folgen des Konflikts für die Verbraucher aber nicht abzuschätzen.

Das beginnt damit, dass die lange Liste mit Gütern, die zum "Ausgleich" der US-Zölle mit Gegenzöllen belegt werden sollen, zwar schon seit Wochen vorliegt, aber nicht in Stein gemeißelt ist. Zwar hat die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Freitag mit Genugtuung den Satz von Bundesaußenminister Heiko Maas aufgegriffen, wonach die Antwort auf " America first" lauten müsse " Europe united". Aber natürlich verfolgen die einzelnen EU-Staaten durchaus unterschiedliche Interessen. Manchen zielt die von der EU-Kommission vorbereitete Liste womöglich zu offenkundig auf Trumps Wählerschaft.

Doch auch wenn die Liste in dieser oder veränderter Form in der zweiten Junihälfte in Kraft treten sollte, sind die Folgen nicht leicht auszurechnen. Inwieweit die gestiegenen Importkosten auf den Verbraucher abgewälzt werden, hängt vom Handel ab.

An der vordersten Front des Handelskonfliktes, bei Stahl und Aluminium, ist die Gefechtslage ebenfalls nicht ganz klar. Für europäische und insbesondere deutsche Hersteller sind die USA ein eher nachrangiger Abnehmer. So stuft etwa der Stahlkonzern Salzgitter seine "direkte Betroffenheit als gering" ein. Die eigentliche Sorge gilt den "umgelenkten Stahlmengen", also billigen chinesischen Exporten, die nun statt in die USA nach Europa drängen - was genau der Absicht Trumps entspricht. Die EU-Kommission hat bereits ein Verfahren eingeleitet, um den Markt vor solchen gestiegenen Importen zu schützen. Eine Entscheidung kann innerhalb von neun Monaten, aber auch früher erfolgen.

Die eigentliche Gefahr reicht allerdings noch deutlich weiter. Ob das schon ein Handelskrieg sei, wurde EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Freitag gefragt. Das Wort wolle sie nicht benutzen, entgegnete sie. Aber man befinde sich in einer "sehr besorgniserregenden Situation". Was sie befürchtet, ist ein Teufelskreis aus Maßnahmen und Gegenmaßnahmen. In Gefahr gerieten so "Jobs, Investitionen und Wachstum". Kurz: Die weltweite wirtschaftliche Erholung stehe infrage. "Die USA spielen ein sehr gefährliches Spiel", beklagte die Schwedin. Die nächste von Trump schon angekündigte Eskalationsstufe, Strafzölle auf Auto-Importe aus der EU, könnte "enormen Schaden" anrichten.

Nicht infrage kommt es aus Sicht der EU-Kommission, aber auch der Mitgliedstaaten, nun einfach zurückzustecken. Man sei zu Verhandlungen mit den USA bereit, diese müssten jedoch erst die "Waffe aus der Hand legen". Dann könne man über alles sprechen - Zollsenkungen, leichteren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen, eine Reform der Welthandelsorganisation WTO. Bislang seien die USA aber nicht bereit zu solchen Verhandlungen "auf Augenhöhe".

Die Europäische Union sieht sich nun als Bewahrer der Regeln im Welthandel. "Wir glauben an das System", sagte Malmström. Die EU hat deshalb am Freitag nicht nur gegen die USA Klage bei der WTO eingereicht, sondern auch gegen China. Die derzeitige chinesische Gesetzgebung verletzt ihrer Ansicht nach die Rechte europäischer Unternehmen, weil sie chinesischen Betrieben Eigentums- oder Nutzungsrechte für ihre Technologien gewähren müssen.

© SZ vom 02.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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