Ermittlungen:Steinmeier verurteilt Hassbotschaften im Fall Lübcke

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Noch ist nicht bekannt, wer den Kasseler Regierungspräsidenten vor seinem Haus erschoss. Im Netz verbreiten Rechtsextreme Häme.

Von Susanne Höll und Thomas Jordan, Frankfurt/Dortmund

Mit großer Empörung haben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und hessische Politiker auf Verunglimpfungen des erschossenen nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Internet reagiert. Noch ist unklar, wer die Tat begangen hat. Steinmeier sagte am Mittwoch in Dortmund, es sei "abscheulich", wie manche in den sozialen Medien dem Schicksal des 65-Jährigen applaudierten. Er forderte mehr Verantwortungsgefühl bei den Plattformen, auf denen die Beiträge veröffentlicht wurden.

Zumeist unter Pseudonym hatten etliche Autoren nach dem bislang rätselhaften Todesfall am Wochenende Freude und Genugtuung über das Ableben Lübckes geäußert. Der Christdemokrat hatte sich in der Flüchtlingskrise 2015/2016 mit seinem Eintreten für die Schutzsuchenden Feinde gemacht und war damals von rechtsgerichteten Bürgern beschimpft und auch bedroht worden.

Auch führende hessische Politiker zeigten sich entsetzt über die Hass-Postings. Landesfraktionschef Michael Boddenberg begrüßte, dass die Strafverfolger diese Äußerungen prüften. "Jeder muss sich für sein Handeln verantworten, auch im Internet", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Sein Kollege Matthias Wagner von den Grünen, dem Juniorpartner der CDU in der Landesregierung, verlangte zivile Umgangsformen auch im Netz: "Es ist dringend an der Zeit, dass sich auch in den sozialen Medien alle wieder an die elementaren Formen des zwischenmenschlichen Umgangs halten."

Die designierte hessische SPD-Vorsitzende Nancy Faeser forderte, die Behörden müssten jedweder Hetze und Drohungen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nachgehen. Kommunalpolitiker aus Kassel, wo das Regierungspräsidium seinen Sitz hat, verurteilten die Hassbotschaften. Auch die hessische AfD rügte unangemessene Bekundungen zum Tod Lübckes, der über die Parteigrenzen hinweg in Hessen geschätzt worden war.

Die für das Tötungsdelikt zuständige Staatsanwaltschaft in Kassel prüft die Hetz-Mails. Behördensprecher Andreas Thöne wies allerdings darauf hin, dass die Aufklärung des offenkundig gewaltsamen Todes von Lübcke und die Fahndung nach Verantwortlichen derzeit Priorität habe. "Das steht jetzt im Fokus", sagte er.

Über den Stand der Ermittlungen bewahrten die Fahnder weiter Stillschweigen. Medienberichte, wonach ein Sanitäter im nächtlichen Noteinsatz den Tatort verändert haben soll, blieben unkommentiert. Die Staatsanwaltschaft und das hessische Landeskriminalamt hatten am Montag publik gemacht, dass Lübcke in der Nacht zum Sonntag auf der Terrasse seines Hauses im nordhessischen Wolfhagen aus nächster Nähe mit einem Kopfschuss aus einer Kleinkaliberwaffe erschossen worden war. Eine von ursprünglich 20 auf nun 50 Beamte aufgestockte Sonderkommission ermittelt nach amtlichen Angaben in alle Richtungen, sie schließt bislang weder eine politisch motivierte Aktion noch einen Täter aus dem Bekannten- oder Familienkreis aus. LKA-Chefin Sabine Thurau hatte aber ausdrücklich darauf verwiesen, dass es bisher keine Hinweise auf eine Täterschaft von Fremdenfeinden gebe. Ob die Fahnder Spuren haben oder noch im Dunkeln tappen, ist bislang unklar. Die Bevölkerung ist aufgerufen, sich mit Informationen zu der Tat bei der Polizei zu melden.

© SZ vom 06.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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