Ermittlungen:Flüssigkeit und Anzünder

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Tönnies-Geschäftsführer Clemens Tönnies. (Foto: Noah Wedel/imago)

Möglicher Brandsatz vor dem Haus von Fleischkonzern-Chef Tönnies gefunden.

Auf der Zufahrt zur Privatvilla des Fleischproduzenten Clemens Tönnies in Rheda-Wiedenbrück ist möglicherweise ein Brandsatz gefunden worden. In der Nacht zum Donnerstag hätten Unbekannte dort Behälter mit Flüssigkeit und Anzünder abgestellt, bestätigte am Samstag ein Sprecher der Polizei im ostwestfälischen Gütersloh. Dazu sei ein Bekennerschreiben eingegangen. Die Generalbundesanwaltschaft habe die Ermittlungen übernommen, sagte Behördensprecher Markus Schmitt am Sonntag dem Westfalen-Blatt.

In dem zweiseitiges Bekennerschreiben sollen zwei Organisationen die Verantwortung für den potenziellen Brandanschlag übernommen haben: Die "Revolutionären Aktionszellen" sowie die "Westfälische Animal Liberation Front". Das berichtet die Zeitung Die Glocke, der das Schreiben in Kopie vorliege. Sie sprächen von einer gemeinsamen Aktion gegen Konzernchef Tönnies. Er sei die Spitze des Eisbergs des kapitalistischen Systems, dem die Gesellschaft den Kampf ansagen müsse. Laut Glocke beinhaltet das Schreiben Referenzen an die Rote Armee Fraktion (RAF), die 1998 ihre Selbstauflösung bekannt gegeben hatte.

Konkrete Gefahr hat nach Aussage des Polizeisprechers in Gütersloh nicht bestanden, es sei nichts angezündet worden. Die Gegenstände seien auch zu weit vom Wohnhaus entfernt gewesen. Die Flüssigkeit werde noch untersucht. Aber es seien schon die Bestandteile eines Brandsatzes gewesen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handle.

Tönnies ist Geschäftsführer des größten deutschen Fleischkonzerns. Er steht unter anderem wegen eines Corona-Massenausbruchs unter Beschäftigten am ostwestfälischen Stammsitz seiner Firma in der Kritik. Vorwürfe gibt es auch in Bezug auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die Haltung der Schlachttiere. Erst am Samstag hatten Dutzende Tierschützer in Kellinghusen im Kreis Steinburg demonstriert. Auf einem Transparent forderten sie "Schluss mit dem System Tönnies - gemeinsam gegen die Tierindustrie". Der Konzern betreibt in Kellinghusen einen Schlachtbetrieb, den etwa 30 Tierschützer im Oktober 2019 etwa elf Stunden lang blockiert hatten. Der Konzern fordert dafür 40 000 Euro Schadenersatz, was Tierschützer empört und neuen Protest provozierte.

Vergangene Woche hatte Tönnies beklagt, dass sein Unternehmen in der Corona-Pandemie "an den Pranger gestellt" werde. In einer Stellungnahme an mehrere Ausschüsse des Düsseldorfer Landtags schrieb er: "Wir verwahren uns gegen pauschale Vorwürfe in Bezug auf die arbeitsrechtliche Behandlung" von Mitarbeitern. Als Arbeitgeber sei der Konzern "mehr als jeder andere an der Gesundheit und dem Wohlergehen der in unseren Häusern Beschäftigten interessiert".

Tönnies kritisierte weiter, es würden Mindestlohn-Verstöße erhoben, dem Konzern werfe man "kriminelles Handeln" vor und eine ganze Branche werde "verbal kriminalisiert" - ohne Beweise vorzulegen. Die Infektionslage im Juni sei "kein ungeheuerlicher Skandal" gewesen. Die Infektionen seien von außen in das Unternehmen hineingetragen, die Virusausbreitung dann unter anderem durch eine genehmigte Lüftungsanlage begünstigt worden. Mit den nun nachgerüsteten neuen Filtern könnten Viren auch in der Luft eliminiert werden, schilderte Tönnies die Lage für eine öffentliche Anhörung im Landtag am 23. September.

In einem Rechtsstreit um eine Äußerung von Schleswig-Holsteins SPD-Fraktionschef Ralf Stegner war Tönnies kürzlich unterlegen. Das Landgericht Hamburg wies einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Darin sollte Stegner verpflichtet werden, kritische Äußerungen über die Zustände in den Schlachthöfen zu unterlassen.

© SZ vom 31.08.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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