Türkei:Erdoğan unterbricht Wahlkampf wegen gesundheitlicher Probleme

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Der Gesundheitszustand des Präsidenten wird seit Langem behandelt wie ein Staatsgeheimnis. (Foto: Adem Altan/AFP)

Der türkische Präsident sagt den zweiten Tag in Folge sein Programm ab - aus gesundheitlichen Gründen. Ein Sprecher weist Spekulationen zurück.

Von Raphael Geiger

Recep Tayyip Erdoğan hatte bereits am Dienstag ein Live-TV-Interview unterbrechen müssen. Als die Kamera auf den Interviewer zeigte, hörte man im Hintergrund ein undeutliches Geräusch und eine männliche Stimme: "Eyvah, eyvah" In etwa: Oh mein Gott. Kurz darauf ging der Sender in eine Werbepause. Erdoğan kehrte danach zwar zurück und setzte das Interview fort, sah dabei aber äußerst geschwächt aus. Am Mittwochmorgen sagte er seine geplanten Wahlkampfveranstaltungen ab. Dass er nun auch am Donnerstag aussetzt, dürften in der Türkei viele als Zeichen werten, dass der Präsident ernsthaft erkrankt ist.

Ein Sprecher wies Spekulationen über den Gesundheitszustand Erdoğans zurück. Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun teilte am Mittwochabend Bilder von Tweets, die behaupteten, Erdoğan habe einen Herzinfarkt erlitten und schrieb dazu: "Wir weisen solche unbegründeten Behauptungen bezüglich der Gesundheit des Präsidenten kategorisch zurück." Erdoğan werde am Donnerstag per Videokonferenz an der Eröffnung des türkischen Kernkraftwerks Akkuyu teilnehmen. Vizepräsident Fuat Oktay sagte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, dass es Erdoğan gutgehe. "Wir stehen ständig in Kontakt. Er hat sich etwas erkältet."

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Seine gesundheitlichen Probleme treffen Erdoğan mitten im Wahlkampf. Noch dazu in einem, der für den 69-Jährigen so schwierig ist wie keiner zuvor. Wenn am 14. Mai in der Türkei gewählt wird, bewirbt sich Erdoğan um eine dritte Amtszeit. Aber zum ersten Mal muss er wirklich die Abwahl fürchten. Umso mehr hatte er sich zuletzt in den Wahlkampf gestürzt und begonnen, durchs Land zu reisen. Ob es die Auftritte waren, die ihm auf die Gesundheit schlugen, weiß bis jetzt niemand.

Seit Jahren gab es immer wieder Gerüchte um die Gesundheit des Mannes, der das Land seit 2003 regiert. Bis heute aber erfuhr die Öffentlichkeit darüber nichts. Der Zustand des Präsidenten bleibt ein Staatsgeheimnis.

Die Türkei hat sich in den vergangenen Wochen mehr und mehr auf einen Machtwechsel eingestellt. Gleichzeitig sind noch viele Wähler unentschlossen. Einen nicht unerheblichen Einfluss haben auch die 1,5 Millionen wahlberechtigten Türken in Deutschland, die von diesem Donnerstag an mitentscheiden können. Bis zum 9. Mai sind sie dazu aufgerufen, ihre Stimme in einem der 16 Wahllokale in der Bundesrepublik abzugeben. Bei der Wahl 2018 kam Erdoğan in der türkischen Community in Deutschland auf 64,8 Prozent - und insgesamt nur auf 52,6 Prozent.

Doch das Rennen zwischen Präsident Erdoğan und seinem Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu ist diesmal eng. Umso entscheidender werden die letzten Tage vor der Wahl sein, der Amtsinhaber wird sie nicht verpassen wollen. Fürs Erste wartet das Land jetzt auf eine Nachricht aus Ankara: Wie geht es Recep Tayyip Erdoğan?

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