Erdölmacht Nigeria:Wankender Riese

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Nigerias Präsident ist zu krank, um seine Geschäfte selbst zu führen. Die Milizen nutzen seine Schwäche für brutale Anschläge. Das Land versinkt im Chaos und droht zu zerbrechen.

Arne Perras, Kampala

Die Woche sollte mit Worten des Friedens beginnen. Stattdessen sprachen die Waffen. Zwei Bomben gingen am Montag in der Hafenstadt Warri im Nigerdelta hoch, als die Regierung zu Verhandlungen über ein Ende der Rebellion im ölreichen Süden Nigerias lud. Der explosive Auftakt zu den Friedensgesprächen offenbarte, wie mächtig die Rebellen-Miliz Mend (Bewegung zur Emanzipation des Nigerdeltas) immer noch ist. Sie kann losschlagen, wo, wann und wie sie möchte - das war die Botschaft.

In einer Erklärung der Gruppe hieß es außerdem, sie habe den Gouverneur des Bundesstaates Delta eines Besseren belehren wollen, weil er die Mend zuvor als "Kreation der Medien" abgetan habe. Angaben über Opfer des Anschlags waren widersprüchlich, womöglich hat es einen Toten gegeben. Regierungschef Goodluck Jonathan, der als Nigerias Vizepräsident die Amtsgeschäfte für den erkrankten Umaru Yar'Adua führt, muss nun dafür kämpfen, dass die Verhandlungen über Frieden im Nigerdelta nicht völlig entgleisen.

Die Stimmung im Land ist schlecht. Der wortgewaltige Friedensnobelpreisträger Nigerias, Schriftsteller Wole Soyinka, prangerte das "Theater des Absurden" an, das Nigerias Politik lähme. Dem britischen Blatt Independent sagte er: "Der Zorn hat seinen Höhepunkt erreicht. Ich schließe nicht aus, dass Nigeria auseinanderbricht."

Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi sieht die Teilung des Landes sogar als Lösung für die Konflikte. Zwar wurde ein Auseinanderbrechen Nigerias schon öfter prophezeit, und noch immer hat es das Land geschafft, im Chaos vereint weiterzutaumeln; doch es ist kaum zu übersehen, dass das politische Vakuum die Spannungen in Afrikas bevölkerungsreichstem Staat immer weiter verstärkt.

Der Präsident ist zu schwach zum Regieren

Der Präsident ist also zu krank, um zu regieren, aber er tritt auch nicht zurück. Die Regierung ist nicht in der Lage, Ausbrüche brutaler Gewalt zu verhindern. Und das Delta im Süden Nigerias ist dabei nicht der einzige Brennpunkt. Erst vor einigen Tagen war das Zentrum des Landes von Massakern erschüttert worden, denen Dutzende Menschen zum Opfer fielen. In der Region Jos kommt es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen, vieles spricht dafür, dass politische Rivalitäten und der Durst nach Rache für frühere Taten die Gewalt immer wieder anfachen.

Die Konflikte im Nigerdelta haben einen anderen Hintergrund, sind aber mindestens ebenso explosiv. Es geht um die reichen Öl- und Gasvorkommen, und wer davon einen Nutzen hat. Seit Jahrzehnten schwelt dieser Konflikt, und den Rebellen gelingt es immer wieder, durch Attacken, Sabotage und Drohungen die Ölexporte Nigerias zu reduzieren.

Es gibt Wahlen, aber gefälschte

Auch die jüngste Erklärung der Mend prangerte an, dass das "Land der Völker im Nigerdelta einst von den Ölfirmen und von Nordnigeria" gestohlen worden sei. Damals herrschten in Nigeria noch die Generäle aus dem Norden, unter Diktator Abacha wurden der Freiheitskämpfer Ken Saro-Wiwa und seine Getreuen exekutiert. Die Militärdiktatur ist längst beendet. Heute können die Nigerianer zur Wahl gehen, auch wenn dabei heftig betrogen wird. Aber den schlechten Ruf haben die Ölkonzerne all die Jahre nicht mehr abschütteln können.

Verschmutzung, Gewalt und Perspektivlosigkeit im Nigerdelta haben noch zugenommen. Firmen wie Shell gelten vielen im Nigerdelta als Ausbeuter und skrupellose Komplizen in einem schmutzigen Geschäft, obgleich die Ölkonzerne inzwischen oft mehr für die Entwicklung der Region tun als die korrupten Bundesstaaten des Deltas selbst.

Reichtum durch gestohlenes Öl

Deren Gouverneure standen häufig im Verdacht, gewaltige Summen veruntreut zu haben. Doch die Justiz mussten sie bislang kaum fürchten. Gleichzeitig stehen aber auch Netzwerke der Rebellen im Verdacht, mit gestohlenem Öl reich zu werden.

Nigerias Präsident Yar'Adua, ein Mann des Nordens, wollte die Region durch eine Amnestie und einen Aufbauplan befrieden, doch sein Vorhaben geriet ins Stocken, als sich seine Gesundheit verschlechterte und er monatelang in eine Klinik in Saudi-Arabien verschwand. Yar'Adua ist zwar nun zurück, doch ist er zu schwach zu regieren. Sein Vize Goodluck Jonathan, ein Mann aus dem Süden, tut das nun in seinem Auftrag. Doch Jonathan hat nun gegen die Vorwürfe der Mend anzukämpfen, dass Verhandlungen der Regierung, nur Blendwerk seien, um Zeit zu schinden.

Jonathan kann dem nur dann wirksam entgegensteuern, wenn er bald Erfolge vorweist und die versprochenen Aufbauprogramme auch greifen. Die frustrierte Jugend im Delta braucht Jobs und Perspektiven, wenn sie dem Aufstand fernbleiben soll. Noch ist unklar, wie viel Kraft Jonathan an der Spitze Nigerias entfalten kann, denn schon ringen die rivalisierenden Lager um Yar'Aduas dauerhafte Nachfolge. Kaum einer rechnet damit, dass der kranke Präsident sich noch so erholt, dass er selbst die Geschäfte führen kann. Angesichts des Vakuums wird darüber debattiert, die nächsten Wahlen vorzuziehen.

© SZ vom 17.03.2010/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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