Erbschaftsteuer:Kompromiss der Spiegelstriche

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Die Reform verdient dieses Wort nicht. Sie bleibt hinter den Forderungen des Verfassungsgerichts zurück. Die Koalition zeigt sich devot gegenüber Familienfirmen.

Von Cerstin Gammelin

Gemessen am politischen Vorspiel ist das Ergebnis zweifelsohne unbefriedigend. Monatelang haben die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD taktiert und verhandelt, um sich darauf zu einigen, wie künftig vererbte und verschenkte Unternehmensvermögen besteuert werden sollen. Herausgekommen ist schließlich eine Einigung, die im besten Wortsinn ein Spiegelstrichkompromiss ist. Er ist keineswegs geeignet, das deutsche Steuersystem gerechter zu machen.

Ein Zugeständnis für die CSU, eines für die SPD, und dann wieder eines für die Bayern und wieder von vorne, so liest sich das Kompromisspapier zur Reform der Erbschaftsteuer, das die drei Koalitionspartner am Montag zeitgleich elektronisch verschickt haben. Seine Bedeutung lässt sich anhand einer schlichten Zahl ermessen. Rund 200 Millionen Euro jährlich sollen die neuen Regeln an zusätzlicher Erbschaftsteuer in die Kassen spülen. Zum Vergleich: Jährlich werden in Deutschland Vermögen im Wert von 200 bis 300 Milliarden Euro vererbt, das Aufkommen an Erbschaftsteuer schwankt zwischen fünf und sechs Milliarden Euro. Das heißt: Die große Koalition hat in den vergangenen Monaten unverhältnismäßig viel politische Energie in eine Bagatellsteuer gesteckt.

Die meisten Unternehmen werden auch künftig von der Erbschaftsteuer befreit sein. Bis 26 Millionen Euro Firmenvermögen fällt kein Cent Steuer an. Ab 90 Millionen Euro soll grundsätzlich alles versteuert werden, was nicht unter Ausnahmetatbestände fällt, die im Kleingedruckten aufgezählt sind. Ohne Zweifel ist es richtig, dass die Regeln zur Erbschaftsteuer nicht dazu führen dürfen, dass Unternehmer ihr Geschäft aufgeben müssen, nur weil der Staat sie zur Kasse bittet. Dass sich die Koalitionspartner aber derart devot zeigen, geht doch zu weit.

Die von Karlsruhe geforderte Reform ist das nicht

SPD, CDU und CSU beklagen unisono, dass Vermögen in Deutschland ungleicher verteilt werden und die Kluft zwischen Superreichen und weniger bis gar nicht vermögenden Menschen wächst. Zugleich scheuen sie sich, die Regeln zur Erbschaftsteuer so zu gestalten, dass diese Unterschiede ansatzweise nivelliert werden.

Diese Chance haben jetzt die Grünen. Auch sie haben angekündigt, Vermögen gerechter besteuern zu wollen. Zugleich haben sie die politische Mehrheit, den Spiegelstrichkompromiss im Bundesrat stoppen und mit einem eigenen Vorschlag ins Rennen gehen zu können. Die grünen Landesregierungen werden ihre Glaubwürdigkeit daran messen lassen müssen, ob sie diese Macht nutzen.

Das Bundesverfassungsgericht wird prüfen, ob der Gesetzgeber den ihm erteilten Auftrag erfüllt hat. Die Richter hatten mit Urteil vom Dezember 2014 die Reform der Erbschaftsteuer in Auftrag gegeben und gefordert, zahlreiche Ausnahmen zu streichen. Die minimalinvasiven Änderungen, die lediglich 200 Millionen Euro mehr an Erbschaftsteuer einbringen, dürften in Karlsruhe kaum zufriedenstellen. Es wäre dann das dritte Mal, dass die Erbschaftsteuer auf Wiedervorlage geht.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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