England:Die Perspektiv-Rebellin

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"Ich hoffe, man wird meine Stimme deutlich hören": Rachel Treweek, erste Bischöfin der Kirche von England. (Foto: Ben Birchall/dpa)

Erstmals wird eine Frau Diözesanbischöfin in England. Bis zu ihrer Weihe war es ein bitterer Kampf.

Von Christian Zaschke, London

In einer feierlichen Zeremonie hat der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, am Mittwoch erstmals in der Geschichte der Kirche von England eine Frau zur Diözesanbischöfin geweiht. Rachel Treweek wird künftig als Bischöfin von Gloucester wirken. Damit hat die Kirche von England einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung vollzogen.

Vor Treweek sind bereits zwei Frauen zu Bischöfinnen geweiht worden. Sowohl Libby Lane als auch Alison White sind jedoch lediglich Suffraganbischöfinnen. In der anglikanischen Kirche sind Suffraganbischöfe einem Diözesanbischof untergeordnet und damit Weih- und Regionalbischöfen vergleichbar. Treweek wird nun nicht nur eine eigene Diözese übernehmen, sondern auch als erste Bischöfin überhaupt einen Platz im House of Lords einnehmen, dem britischen Oberhaus. Dort ist die Kirche mit 26 Bischöfen vertreten.

Erst im Juli 2014 hatte die Generalsynode der Kirche von England nach langer und intensiver Debatte beschlossen, dass künftig auch Frauen das Bischofsamt übernehmen können. Damit ging ein Streit innerhalb der Kirche zu Ende, der seit 1994 teilweise erbittert und immer emotional geführt worden war. Damals war zunächst das Priesteramt nach einer knappen Abstimmung für Frauen geöffnet worden.

Im November 2012 hatte die Generalsynode schon einmal über die Frage abgestimmt, ob es Frauen erlaubt sein sollte, das Bischofsamt auszuüben. Dazu hätten die drei Häuser der Synode jeweils mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen müssen. Das Haus der Bischöfe und das Haus der Geistlichen stimmten dafür, das Haus der Laien verhinderte den Antrag jedoch mit seiner Sperrminorität. Daraufhin war die Kirche von England stark in die Kritik geraten. Verschiedenste gesellschaftliche Gruppen und auch die Politik kritisierten sie als rückwärtsgewandt. Viele Gläubige fragten sich, ob sie Mitglied einer Kirche sein wollten, die Frauen gleiche Rechte verwehrt. Nach der neuen Abstimmung im Jahr 2014 verstummte diese Kritik.

Die 52 Jahre alte Rachel Treweek wurde 1994 zur Diakonin geweiht, bereits 1995 folgte die Priesterweihe. Zuletzt war sie Erzdiakonin von Hackney, einem multikulturellen Stadtteil im Osten Londons. Sie gilt als ausgleichende Persönlichkeit und ist, wie die beiden anderen zu Bischöfinnen ernannten Frauen, mit einem Geistlichen verheiratet. Kritiker innerhalb der Kirche bemängeln, dass die neuen Bischöfinnen nicht zu den Frauen gehören, die jahrelang so intensiv dafür gekämpft haben, dass auch den weiblichen Mitgliedern der Kirche die höchsten Ämter offenstehen. Statt der Rebellinnen würden Frauen befördert, die als moderat angesehen würden. Treweek sagte dazu, sie sei keine Rebellin aus Prinzip, der es einfach darum gehe, gegen etwas zu sein. Sie sei hingegen sehr wohl eine Rebellin, wenn es darum gehe, die Dinge aus einer neuen Perspektive zu betrachten. "Ich hoffe, man wird meine Stimme in den kommenden Jahren deutlich hören", sagte sie.

Die anglikanische Kirche hat weltweit etwa 80 Millionen Mitglieder. Außer in England ist sie unter anderem in den Vereinigten Staaten, Australien, Neuseeland, Südindien und in vielen afrikanischen Ländern vertreten. In einigen dieser Nationalkirchen gibt es bereits seit Längerem weibliche Bischöfinnen. In der Kirche von England ist mittlerweile ein Drittel des Klerus' weiblich.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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