El Paso:Duell am Rio Grande

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Trump wirbt in der texanischen Grenzstadt für die Mauer zu Mexiko - die örtlichen Politiker sind empört.

Von Reymer Klüver

Es war, wie so oft, eine der Halb- oder vielleicht nur Viertelwahrheiten, die Amerikas Präsident irgendwo aufschnappt und dann als Fakt in die Welt hinausposaunt - eine Trump-Tatsache, mit lediglich lockerem Bezug zur Wirklichkeit. Jedenfalls hat dieser Umstand dazu geführt, dass sich die texanische Grenzstadt El Paso, ein eher verschlafener Ort und sonst nicht nur geografisch am Rande des Geschehens in den USA, auf einmal im Mittelpunkt der politischen Debatte des Landes wiederfand - und das sehr wider Willen. Denn Donald Trump hatte El Paso vergangene Woche in seiner Rede zur Lage der Nation als Top-Beispiel dafür genannt, welch segensreiche Folgen es hat, wenn man die USA von Mexiko durch einen Zaun oder, besser noch, eine Mauer zu Mexiko abschottet.

Um das zu unterstreichen, war Trump am Montag in die Stadt am Rio Grande gekommen, zu seiner ersten politischen Großveranstaltung in diesem Jahr. "Mauern funktionieren", rief er vor Tausenden Anhängern im El Paso County Coliseum, einst als Rodeo-Arena errichtet. El Paso sei "eine der sichersten Städte Amerikas - dank der Grenzmauer zu Mexiko".

Der erste Teil des Satzes stimmt, der zweite nicht, wie die örtliche Zeitung, die El Paso Times, schon nach Trumps State-of-the-Union-Rede minutiös analysiert hatte. Danach hatte die Kriminalitätsrate in der 600 000-Einwohner-Stadt vor einem Vierteljahrhundert ihren historischen Höchststand erreicht - nicht zuletzt, weil sich im benachbarten mexikanischen Grenzort Ciudad Juárez Drogenkartelle einen Kleinkrieg lieferten (und das im Übrigen weiterhin tun).

Der langjährige Polizeichef nennt Trumps Behauptungen "falsch und inakzeptabel"

Seit 1993 aber ging die Kriminalitätsrate in El Paso kontinuierlich um ein Drittel zurück - und stieg erst wieder an, als man daran ging, am Ufer des Rio Grande einen Grenzzaun zu errichten. Das war 2008, noch unter Präsident George W. Bush. 2009 war die Grenzanlage fertig, aber erst zwei Jahre später sank die Kriminalitätsrate wieder. Der einzige messbare Effekt, der mit dem Bau des Grenzzauns in Verbindung gebracht werden kann, da sind sich die Behörden einig, ist die deutlich sinkende Zahl illegaler Grenzübertritte.

Die örtlichen Politiker sind empört über den Präsidenten, angefangen beim Bürgermeister, wie Trump ein Republikaner, bis hin zum langjährigen Polizeichef, der Trumps Behauptung "vollkommen falsch und inakzeptabel" nennt. In einem offiziellen Kommuniqué wirft die Stadt Trump gar "Lügen" vor. An der Grenze gebe es keinerlei Krise - eine Anspielung auf die Drohung Trumps, unter Hinweis auf die Zustände an der Grenze den Notstand auszurufen und per Notverordnung den Bau weiterer Grenzanlagen anzuordnen.

Trump hatte mit seinem Auftritt denn auch nicht, wie vielleicht erhofft, die ungeteilte Aufmerksamkeit der US-Medien. Beto O'Rourke, bis zum vergangenen Jahr Kongressabgeordneter für El Paso und eine der politischen Nachwuchshoffnungen der Demokraten, hatte am Montag zu einer Konkurrenzveranstaltung in seiner Heimatstadt aufgerufen. Ebenfalls Tausende kamen, nach Zählung der lokalen Behörden sogar deutlich mehr als zu Trump. "Wir sind nicht sicher wegen der Grenzmauern", rief O'Rourke bei der Kundgebung unter freiem Himmel, "sondern trotz der Mauern."

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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