EKD-Synode:Auf dem Papier gut

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Ein Beauftragtenrat, eine große Missbrauchsstudie, eine zentrale Anlaufstelle: Die Evangelische Kirche sieht sich beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt auf einem guten Weg. Doch den Betroffenen ist das zu wenig.

Von Annette Zoch, München

Am Montagmorgen ruft Irmgard Schwaetzer die "Drucksache römisch drei, Schrägstrich eins" auf: Hinter der trockenen Kennziffer verbirgt sich der Bericht des Beauftragtenrats zum Schutz vor sexualisierter Gewalt, den die in diesem Jahr rein digital stattfindende EKD-Synode an diesem Montag berät. Ganze zwanzig Minuten dauert die Aussprache über das Thema, dann gehen die Synodalen zum nächsten Tagesordnungspunkt über: "Bericht über die Catholica-Arbeit in der EKD".

Noch vor einem Jahr, bei der Synode in Dresden, hatte das Thema sexualisierte Gewalt großen Raum eingenommen bei der Tagung des obersten evangelischen Kirchenparlaments. Und schon 2018 hatte sich die Synode - damals in Würzburg - auf einen Elf-Punkte-Plan zur Aufarbeitung geeinigt. Jetzt, zwei Jahre später, habe man "jeden einzelnen Punkt bearbeitet oder auf den Weg gebracht", sagte am Montag die Sprecherin des Beauftragtenrats, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs. Eine auf drei Jahre angelegte Missbrauchsstudie sei gerade angelaufen. Zudem seien die Fachstelle Sexualisierte Gewalt im Kirchenamt und die zentrale Anlaufstelle "help" eingerichtet worden. Der Betroffenenbeirat hat sich im Sommer konstituiert.

Auf dem Papier klingt das gut - für die Betroffenen "hat sich seit 2010 aber weiterhin zu wenig verändert", sagt Kerstin Claus, die Mitglied im Betroffenenrat beim Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung ist: "Es fehlt in der evangelischen Kirche weiter an geeigneten, unabhängigen Strukturen." Den Elf-Punkte-Plan sieht sie kritisch: "Es ist absurd, wenn auf EKD-Ebene ein Elf-Punkte-Plan Zielvorgaben setzt, die EKD dann die inhaltlichen Kriterien selbst definiert und schließlich, wie bei einer Checkliste, die Punkte selbst abhakt."

Die zentrale Anlaufstelle vermittele Betroffene häufig nur weiter an die Landeskirchen, wo sie sich dann in der Kirchenbürokratie verheddern - "die EKD hat einen Flickenteppich geschaffen", sagt Katharina Kracht, ebenfalls Betroffene. Zu intransparent und willkürlich sei außerdem die Betroffenenbeteiligung - nirgendwo sei festgehalten, was genau damit gemeint ist.

"Wir nehmen im Beauftragtenrat die Kritik von Seiten dieser einzelnen Mitglieder des Betroffenenbeirats sehr ernst", sagte Fehrs der Süddeutschen Zeitung. "Just im September aber hat sich der neue Betroffenenbeirat ja erst konstituiert, der eine solche systematische Einbeziehung der auch heterogenen Perspektiven Betroffener mehr als bisher ermöglicht." Er habe zum Ziel, als Impulsgeber die Arbeit zu beraten und "sich mit vorhandenen Strukturen und Regelungen in der evangelischen Kirche kritisch auseinanderzusetzen". Dass das Thema bei dieser verkürzten Synode unter Pandemie-Bedingungen keine so große Rolle spielte, wie in den vergangenen Jahren, sei "nachvollziehbar".

Fehrs gab auf der Synode außerdem bekannt, dass sie ihre Aufgabe als Sprecherin des Beauftragtenrats nach zwei Jahren abgibt. Ihr folgt turnusgemäß der Braunschweiger Landesbischof Christoph Meyns. Fehrs bleibe aber weiterhin Mitglied des Beauftragtenrats.

Deutlich größeren Raum nahm auf der Synode die Debatte um die Kirchenfinanzen ein. Am Montagabend beschloss die Synode die langfristige Finanzstrategie. Sie sieht Einsparungen in Höhe von rund 17 Millionen Euro bis 2030 vor. Der Sparkurs betrifft kirchliche Hochschulen, Stiftungen, Werke, theologische Einrichtungen und andere kirchliche Organisationen. Umgesetzt werden sollen die Einsparungen von 2022 an. Außerdem verabschiedete die Synode zwölf Leitsätze, die die Richtung künftiger Kirchenreformen vorgeben sollen. Die 20 Landeskirchen und die EKD sollen effizienter zusammenarbeiten. Außerdem will sich die Kirche stärker auch für jene öffnen, die nicht mehr Kirchenmitglied sind.

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