Einschüchterung vor der Präsidentschaftswahl:Amnesty prangert Menschenrechtsverstöße in Iran an

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Anstehende Präsidentenwahl in Iran: Passanten vor einem Wahlplakat von Kandidat Said Dschalili. (Foto: AFP)

Am Freitag wählen die Iraner einen neuen Präsidenten. Ein aktueller Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigt, wie das Regime in Teheran schon seit Monaten versucht, Kritiker mundtot zu machen - durch willkürliche Festnahmen, Einzelhaft und Folter.

Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Iran gehen die Behörden nach Angaben von Amnesty International immer härter gegen Oppositionelle vor. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht listet die Menschenrechtsorganisationzahlreiche zahlreiche Fälle auf, in denen Regimekritiker willkürlich verhaftet, unter schwammigen Gründen verurteilt oder gefoltert werden.

  • Wen das Regime verfolgt: Die Willkürmaßnahmen betreffen dem Bericht zufolge unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen: Journalisten und Blogger sind ebenso betroffen wie politische Aktivisten, Gewerkschafter und Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten oder Studenten. Sie alle haben gemeinsam, dass sie sich auf unterschiedliche Art und Weise - in Artikeln, in Offenen Briefen oder bei Kundgebungen - für jetzt antretende Kandidaten der Opposition einsetzen oder sich mit den seit Monaten unter strengstem Hausarrest stehenden Oppositionsführern Mir Hussein Mussawi oder Mehdi Kharoubi solidarisieren. Doch manchmal fehlt sogar ein solcher Bezug: Manche Menschen werden offenbar allein aufgrund ihrer politischen Ansichten inhaftiert, wie ihre Familien Amnesty sagen.
  • Vorwürfe gegen die Festgenommenen: Die meisten Festgenommenen werden Amnesty zufolge zunächst einmal ohne Angabe konkreter Vorwürfe in Haft genommen. Oft ist nicht klar, wann oder ob eine Anklage erhoben wird. Urteile würden nur vage begründet. Als Gründe für mehrjährige Haftstrafen werden beispielsweise "die Verbreitung von Propaganda gegen das Regime", "die Beleidigung des Präsidenten", "Verstöße gegen die nationale Sicherheit" oder die "Störung der öffentlichen Ordnung" genannt.
  • Wie Teheran gegen die Regimekritiker vorgeht: Neben Festnahmen oder Verurteilungen werden die Oppositionellen noch durch ihre Behandlung in den Gefängnissen schikaniert, wie die Menschenrechtsorganisation aufzeigt. Viele der Festgenommenen säßen wochenlang in Einzelhaft. Sie hätten keinen Kontakt zu Angehörigen, oft wüssten die Familien nicht einmal, wo die Festgenommenen einsitzen. In einzelnen Fällen wird auch von Folter berichtet. So soll das Teheraner Regime einen Journalisten unter anderem einer Scheinexekution ausgesetzt haben, um ihn dazu zu bewegen "zu gestehen". Angehörige einer arabischen Minderheit in Iran sollen gefoltert worden und zudem zur Aufzeichnung falscher Geständnisse für das Staatsfernsehen gezwungen worden sein. Amnesty berichtet zudem, dass Gefangenen in mehreren Fällen eine dringend notwendige medizinische Behandlung oder Versorgung mit Medikamenten verweigert worden sei. So soll ein Journalist nur fünf Tage nach einem Herzinfarkt wieder ins Gefängnis gebracht worden sein, wie seine Familie berichtet habe - ohne weitere medizinische Nachsorge.
  • Repression - nichts Neues in Iran: Amnesty betont, dass der neuen Welle von Menschenrechtsverstößen in Iran schon mehrere Perioden mit ähnlichen Verfolgungsmaßnahmen vorhergegangen sind. Zuletzt war das Regime nach der Präsidentenwahl im Jahr 2009 mit großer Härte gegen Oppositionelle vorgegangen. Damals hatten Regimekritiker Präsident Mahmud Ahmadinedschad Wahlbetrug vorgeworfen. Es kam zu monatelangen Protesten. Doch die Reformbewegung wurde mit brutaler Gewalt zerschlagen. Die Folgen: Noch immer sitzen Dutzende politischer Gefangene aus dieser Periode in Haft oder Hausarrest - so auch die politischen Führer Mussawi und Kharoubi. Amnesty berichtet, dass sich darunter auch Menschen finden, die allein aufgrund ihrer politischen Gesinnung und nicht wegen konkreter politischer Aktivitäten verurteilt worden seien.

Die Ziele der seit Ende vergangenen Jahres zunehmenden Repression sind der Menschenrechtsorganisation zufolge klar: das Regime verfolge damit zumindest zum Teil die Absicht, eine öffentliche Debatte zu ersticken und Kritik an den staatlichen Autoritäten zu verhindern.

Die Iraner bestimmen diesen Freitag ein neues Staatsoberhaupt. Gute Chancen werden einerseits Said Dschalili eingeräumt. Dschalili kann mit seiner regimetreuen Linie auf die Unterstützung der Konservativen zählen, er gilt als Lieblingskandidat von Ayatollah Chamenei. Nachdem zahlreiche Kandidaten nicht zugelassen wurden, gilt Hassan Rouhani als Vertreter der Reformer. Er profitiert davon, dass Reformkandidat Mohammed Resa Ref seine Kandidatur zurückgezogen hat. Die konservativen Kräfte des Landes konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen.

Ahmadinedschad darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Falls im ersten Wahlgang kein Bewerber die absolute Mehrheit erreicht, kommt es am 21. Juni zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten.

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