Thomas Oppermann wartet noch. Erst wenn die letzten Fotografen und Kameraleute den Ausschuss-Saal E400 im Paul-Löbe-Haus des Bundestags verlassen haben, wird er vorgehen zu seinem Platz in der Mitte, dem Platz mit dem Schild: Thomas Oppermann, Zeuge. Irgendwer muss ihm gesagt haben, dass sich solche Bilder nicht gut machen. Als wenn das sein größtes Problem wäre in der politischen Affäre um den Fall Sebastian Edathy.
Es ist an diesem Mittwoch die wohl letzte, die 44. Sitzung des Edathy-Untersuchungsausschusses. Vor ziemlich genau einem Jahr hat seine Arbeit begonnen. Der Ausschuss sollte aufklären, wer 2013 was wann in der SPD über mögliche Ermittlungen gegen das SPD-Fraktionsmitglied Sebastian Edathy wusste - über den Verdacht, dass Edathy womöglich kinderpornografische Bilder besessen haben soll.
Edathy-Ausschuss:16.29 Uhr statt 15.29 Uhr
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann war durch unklare zeitliche Abläufe belastet worden. Nun ist klar: es lag an der Sommerzeit.
Der Stand der Dinge: Nach der Bundestagswahl 2013 stehen Union und SPD kurz davor, wieder zusammen zu regieren. In dieser Situation informiert Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass sich ein Verdacht gegen Edathy wegen Besitzes von Kinderpornografie ergeben habe. Gabriel informiert am Nachmittag des 17. Oktober erst Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Dann Thomas Oppermann, damals noch parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Oppermann ruft noch am gleichen Tag um 16.29 Uhr den Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, an. Er will sich angeblich vergewissern, dass keine Verwechslung vorliegt. Ziercke sagt angeblich nichts - was Oppermann als Bestätigung deutet.
Mitte Dezember setzt er seine Amtsnachfolgerin Christine Lambrecht über die Sache mit Edathy in Kenntnis. Damit die sich nicht wundert, dass Edathy keinen wichtigen Posten abbekommt. Und dann gibt es noch einen Kontakt: Im November 2013 bittet Oppermann den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann, sich um Edathy zu kümmern, angeblich aus Sorge um dessen Gesundheitszustand. Das Problem ist nun: Spätestens am 15. November 2013 wusste Hartmann von der gesamten Informationskette und den Hintergründen. Das legen Zeugenaussagen nahe. Und: Es ist sicher, dass Edathy einen Tippgeber hatte.
"Wenn es darauf ankommt, mangelt es an Erinnerung"
Die große Frage, die über allem steht: Wer hat Edathy informiert? Edathy sagt, das sei Hartmann gewesen. Und der habe seine Informationen wohl von Ziercke gehabt. Ziercke streitet das glaubhaft ab. Dann bleibt fast nur noch, dass Oppermann Hartmann informiert hat. Das bestreitet Oppermann, hat allerdings größere Schwierigkeiten, das glaubhaft zu machen. Am 8. November 2013 etwa führten Edathy und Oppermann ein Gespräch über Edathys Aussichten auf bessere Posten. Oppermann sagt an diesem Mittwoch im Ausschuss aus, er habe Edathy lediglich "wissen lassen, dass er keine Chance auf ein Ministeramt hätte". Alles andere sei offen. Merkwürdig ist: Nach dem Gespräch hat Edathy nach Oppermanns Aussage keinen weiteren Versuch mehr unternommen, seine Karriere voranzutreiben.
Oppermann will das alles gar nicht so richtig mitbekommen haben. Selbst dann nicht, als in der Fraktion erste Gerüchte umgingen, Edathy habe ein Problem mit dem Gesetz. Er habe sich um den Fall nicht mehr gekümmert, "weil es nichts zu entscheiden gab".
Klar ist nach einem Jahr Ausschuss nur: Irgendwer lügt. Edathys Aussagen vor dem Ausschuss sind in wichtigen Teilen von anderen Zeugen bestätigt worden. Michael Hartmann verweigert inzwischen die Aussage. Und Oppermann? Der sagt nur das Nötigste. Armin Schuster, Obmann der CDU im Ausschuss, fasst das so zusammen: "Wenn es darauf ankommt, mangelt es an Erinnerung oder wird sich nicht gekümmert." Solange das so bleibt, wird es eine vollständige Aufklärung wohl nicht geben können. Und solange bleibt ein Makel an der SPD kleben.