Drohneneinsätze:Funkverbindung über Deutschland

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Strategisch wichtig für Drohneneinsätze: der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. (Foto: Ronald Wittek/dpa)

US-amerikanische Flugobjekte töteten einst seine Verwandten. Nun hat ein Jemenit die Bundesregierung als Helfershelfer des Einsatzes verklagt. Über einen Prozess mit großer völkerrechtlicher Tragweite.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Zwischen Glück und Unglück lag nur eine Nacht. Faisal Bin Ali Jaber hat diese Geschichte, die sich vor mehr als acht Jahren in seinem Heimatdorf in der Provinz Hadramaut in Jemen zugetragen hat, schon oft erzählt. Von der Hochzeitsfeier, bei der sie glücklich sein durften. Und von den Raketen, die tags darauf einschlugen und mehrere Bewohner töteten, darunter Angehörige seiner Familie. Einer von ihnen war ein Imam, ausgerechnet einer, der eindringlich gegen die hasserfüllte Ideologie der Islamisten gepredigt habe. Aber Ali Jaber weiß, dass sein Schicksal stellvertretend für das Leid steht, das der globale Drohnenkrieg der USA über die Menschen bringt. Und so schickt er via Videocall eine Botschaft: "Wir hoffen, dass das deutsche Rechtssystem auf uns hört."

Ohne Zwischenstation in Europa geht es nicht - wegen der Erdkrümmung

Denn das deutsche Rechtssystem, genauer gesagt, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, ist an diesem Mittwoch der Ort, an dem diesen todbringenden Drohneneinsätzen der Prozess gemacht wird. Unterstützt vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) haben Ali Jaber und zwei weitere Jemeniten die Bundesrepublik Deutschland verklagt - als Helfershelfer bei illegalen Tötungen: Die Air Base Ramstein ist als Satelliten-Relaisstation wesentlicher Bestandteil der US-amerikanischen Infrastruktur für Drohneneinsätze in Afrika und Vorderasien. Gesteuert werden die bewaffneten Flugobjekte zwar von Florida aus, aber die Erdkrümmung macht eine europäische Zwischenstation notwendig. Lange Zeit hatte sich die Bundesregierung hinsichtlich der Funktion des Standorts unwissend gegeben, aber seit einigen Jahren bestreitet niemand mehr ernsthaft dessen Rolle im Drohnenprogramm.

Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht steht am Ende jahrelanger Bemühungen von Menschenrechtsaktivisten, die deutsche Rolle im US-amerikanischen Drohnenkrieg gegen den Terror juristisch fassbar zu machen. Noch 2016 lehnte dasselbe Gericht die Klage eines Anwohners aus Ramstein ab - weil sich aus der bloßen Nachbarschaft zum Stützpunkt keine "persönliche Betroffenheit" und damit keine Klagebefugnis herleiten lasse. Aber schon damals verwendete das Gericht ziemlich viele Worte auf mögliche Klageansprüche von Menschen, die tatsächlich "persönlich betroffen" sind. Menschen wie Ali Jaber. Solche Ansprüche könnten sich auch gegen einen Staat richten, der Verletzungen des Völkerrechts stillschweigend gebilligt habe. Das klang nicht so, als sei so eine Klage völlig utopisch.

Der selbstbewusste richterliche Hinweis auf das Völkerrecht war eine Sensation

Dass deutsche Gerichte hier zu einem ernst zu nehmenden Faktor werden können, weiß man spätestens seit dem 19. März 2019. Damals verkündete das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster das Urteil über die Klage Ali Jabers, das nun in Leipzig überprüft wird. Die Bundesrepublik müsse sich durch "geeignete Maßnahmen" vergewissern, ob der Drohneneinsatz mithilfe der Air Base Ramstein rechtens sei, hieß es dort. Falls nicht, müsse sie gegenüber den USA auf die Einhaltung des Völkerrechts "hinwirken". Das klang irgendwie unverbindlich. Aber gemessen daran, was ein Gericht in der Welt militärischer und außenpolitischer Verflechtungen überhaupt ausrichten kann, war der selbstbewusste richterliche Hinweis auf das Völkerrecht eine Sensation.

Auf 139 Seiten deklinierte das OVG die Regeln durch, die unter Völkerrechtlern weitgehend unstrittig sind, aber von den USA konsequent missachtet werden, nicht erst unter Donald Trump, sondern auch zu Obamas Zeiten. Ja, auch der Einsatz bewaffneter Drohnen kann völkerrechtlich erlaubt sein, wenn er sich gezielt gegen feindliche Kämpfer richtet und zivile Opfer so gut wie irgend möglich vermeidet. Das gilt etwa in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt, wie er zumindest damals in Jemen stattfand. Denn ein bewaffneter Konflikt, das ist Krieg. Und im Krieg darf geschossen werden, ob mit Kanonen oder Drohnen.

Aber nein, der selbsterklärte Kampf der USA gegen den Terror sei nach diesen Regeln eben kein "bewaffneter Konflikt", schrieb das OVG. Denn immer noch sähen sich die USA, wie seit dem 11. September 2001, zur Tötung von Mitgliedern des "Islamischen Staats" oder von Al-Qaida befugt - an jedem Ort und zu jeder Zeit. Ein derart weites Verständnis sei mit humanitärem Völkerrecht nicht vereinbar. Denn dass Waffen nur in einem zeitlich und räumlich eingegrenzten "bewaffneten Konflikt" gegen Kämpfer eingesetzt werden dürfen, darin liegt gerade der Sinn der Regeln. Das Völkerrecht gewährt keine weltweite Lizenz zum Töten. Laut OVG ändert daran auch die anhaltende Terrorgefahr nichts, denn man kann die Terroranschläge der vergangenen Jahre nicht zu einem globalen "bewaffneten Konflikt" aufsummieren. "Eine die gezielte Ausübung tödlicher Gewalt rechtfertigende unmittelbare Gefahr kann aber keinesfalls schon dann angenommen werden, wenn lediglich eine allgemeine Bedrohung durch terroristische Anschläge besteht."

Was aber würde sich ändern, sollte das Bundesverwaltungsgericht sich dem Urteil des OVG anschließen? Die Bundesregierung müsste deutlich dazu Stellung beziehen, wo die Grenzen des Völkerrechts verlaufen - aber sie wäre nicht gehalten, die US-Aktivitäten in Ramstein tatsächlich zu unterbinden. Dennoch wäre so ein Statement immerhin ein Signal in Richtung Washington, wo demnächst ein neuer Präsident ins Weiße Haus einzieht. Ob sich die Drohnenstrategie der Vereinigten Staaten damit grundlegend ändert, mag man bezweifeln. Aber womöglich beachten die USA unter Joe Biden völkerrechtliche Einsatzregeln wieder stärker. Regeln, die nach Einschätzung von Jennifer Gibson von der Menschenrechtsorganisation Reprieve unter Trump mehr oder weniger aufgelöst worden sind.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer treibt die Anschaffung bewaffneter Drohnen voran

Überhaupt spricht das OVG-Urteil ja keineswegs eine generelle Ächtung bewaffneter Drohnen aus, im Gegenteil. Die strenge Befolgung der Regeln vorausgesetzt, ist ihr Einsatz erlaubt. In einer Zeit, in der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die Anschaffung bewaffneter Drohnen vorantreibt, ist das eine relevante Aussage, politisch wie juristisch. Schon deshalb, weil auch für Bundeswehr-Drohnen noch viele Detailfragen zu klären sind, zu legitimen Zielen, zu verfahrenstechnischen Sicherungen gegen Fehlschläge, zu Transparenz und Kontrolle. Da käme ein höchstrichterliches Urteil gerade recht.

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