Drogen:Rauchen, schlucken, sterben

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Die neuen psychoaktiven Stoffe.

Von Kim Björn Becker

Von den niedlichen Namen sollte man sich nicht täuschen lassen. Denn die Substanzen, die sich hinter Begriffen wie Badesalz, Räuchermischung und - kein Witz - Lufterfrischer verstecken, haben es in sich. Sie vergiften den Körper, lösen Psychosen aus und führen im schlimmsten Fall zu Organversagen. Für diese Drogen werden Betäubungsmittel mit dubiosen Chemikalien gepanscht, die Zusammensetzung ist für Konsumenten völlig unklar und ändert sich sowieso ständig. Ob sie nun zum Rauchen, Schlucken oder Schnupfen feilgeboten werden: Die neuen psychoaktiven Stoffe, kurz NPS, sind ein stark unterschätztes Problem. Wie aus dem aktuellen Drogenbericht der Bundesregierung hervorgeht, starben im vergangenen Jahr bundesweit 98 Menschen nach dem Konsum von NPS, weit mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Bei keiner anderen Wirkstoffklasse gab es zuletzt einen solch starken Anstieg. Es ist dies eine höchst gefährliche Entwicklung.

Diese Substanzen sind hierzulande auf dem Vormarsch, vor allem bei Erwachsenen. Dabei hatte die Regierung ihre liebe Mühe damit, die Mittel zu verbieten. Weil Drogendesigner die chemische Struktur der Stoffe im Labor immer wieder veränderten, wäre jede Beschreibung der verbotenen Substanz im Gesetz schon wieder veraltet, wenn dieses in Kraft ist. Nicht umsonst werden NPS-Drogen als Legal Highs bezeichnet, obwohl sie längst nicht mehr legal sind. Ende des vergangenen Jahres hat der Bundestag erstmals den Besitz und Handel mit ganzen Stoffgruppen unter Strafe gestellt. Ein guter Schritt, aber vermutlich längst nicht ausreichend.

Denn allzu große Hoffnungen, dass das neue Verbot den Konsum von NPS spürbar mindert, sollte man sich nicht machen. Auch bei anderen illegalen Drogen bleibt der Konsum schließlich unverändert. So sind Opiate wie Morphin für die meisten Drogentoten im Land verantwortlich, doch trotz bestehender Verbote und entsprechender Strafverfolgung ging die Zahl der Süchtigen in den vergangenen Jahren nicht zurück. Stattdessen machen viele Städte gute Erfahrungen mit sogenannten Konsumräumen, in denen Abhängige sich unter passablen Hygienebedingungen die Spritze setzen können. Auch sogenannte Substitutionstherapien, bei denen die Süchtigen weniger gefährliche Ersatzmedikamente bekommen, zeigen nachweislich Erfolge.

Für eine vernünftige Drogenpolitik ist das ein Dilemma. Denn der Staat sieht sich somit genötigt, bei einigen Drogen ein Verhalten zu tolerieren oder gar zu unterstützen, das er eigentlich verhindern will. Diesen Widerspruch aus der Welt zu schaffen, ist bislang keiner Bundesregierung gelungen - weil es bedeuten würde, auf der Verbotsseite anzusetzen. Angesichts der geschätzten 74 000 Menschen, die nach Angaben der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler jedes Jahr an den Folgen des Alkohols sterben, müssten Bier, Wein und Schnaps eigentlich als Erstes verboten werden. Dass das überzogen wäre und auch niemand ernsthaft will, ist offenkundig. So wird der politische Umgang mit Drogen ein Spagat bleiben. Dazu gehört wohl auch die Erkenntnis, dass der gelegentliche Rausch - ganz gleich, wie man ihn erzeugt - für viele Menschen ein Grundbedürfnis ist und sich darum nicht gänzlich unterbinden lässt. Versiegt eine Quelle, etwa durch ein Verbot, wird sich schon eine neue auftun. Es ist zwar die Aufgabe einer Regierung, die Menschen vor gefährlichen Rauschmitteln zu schützen. Doch kein Gesetz kann Ersatz für die eigene Vernunft und Verantwortung sein.

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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