Direktor des Amerikanisch-Jüdischen Komitees:"Die Deutschen müssen sich selbst vertrauen"

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Führungsrolle - trotz der Dämonen der Geschichte: David Harris, Direktor des American Jewish Committee, sieht die Deutschen und ihre Kanzlerin Angela Merkel in der Verantwortung. (Foto: Getty Images)

Deutschland kommt heute in der Welt eine "Führungsrolle" zu, sagt David Harris, Direktor des American Jewish Committee. Wegen dieser großen Verantwortung solle Berlin auch seine Fähigkeiten im Militärischen überdenken - die USA könnten nicht mehr alle Probleme alleine lösen.

Von Stefan Braun, Berlin

In der aktuellen Debatte über ein größeres deutsches Engagement in der Welt setzen US-amerikanische Juden große Hoffnungen und Erwartungen in die deutsche Regierung. Der Direktor des American Jewish Committee, David Harris, sagte der Süddeutschen Zeitung, Deutschland wachse schon seit Jahren "eine regionale und globale Führungsrolle" zu. "Das ist Fakt. Darüber gibt es keine Debatte mehr. Nicht in Europa, nicht in den USA, nicht in der Welt. Es gibt sie allenfalls noch in Deutschland, aber nirgendwo sonst."

Deutschland werde über diese zentrale Rolle in Europa einer der großen Richtungsgeber in der Welt. "Daraus wächst Verantwortung", so Harris. Und das gelte nicht nur, aber auch für die Bereitschaft, im Notfall deutsches Militär einzusetzen.

Harris sagte der SZ, er habe Verständnis dafür, dass viele Menschen in Deutschland eine größere Rolle für ihr Land ablehnten, auch in Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und die Gräueltaten der Nazis. "Ich trage selber die Wunden, die die deutsche Geschichte geschlagen hat", sagte der Sohn zweier Holocaust-Überlebender. "Aber siebzig Jahre später hat sich Deutschland in einer Weise neu aufgestellt und entwickelt, wie es großartiger kaum möglich wäre."

Er kenne die Dämonen der Geschichte und er verstehe auch die Angst, dass solche Dämonen noch mal stark werden könnten. Aber es gebe auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Macht. Heute stehe Deutschland im Zentrum der demokratischen Welt. Die demokratischen Werte aber würden nicht überall auf der Welt geteilt. Im Gegenteil: "Sie werden zum Teil heftig bekämpft. Haben also Demokratien eine Verantwortung für die Verteidigung der Demokratie? Ich sage: ja."

Eine "moralische Führungsnation"

Auf die Frage, ob ein Mehr an Verantwortung automatisch ein Mehr an Militäreinsätzen bedeute, sagte Harris, natürlich müssten immer erst alle diplomatischen Möglichkeiten genutzt werden, um eine Krise, einen Konflikt zu lösen. Aber es gebe auch Momente, in denen man klarmachen können müsse, dass man auch den Willen habe, seine Werte zu verteidigen. Deutschland werde heute in der Welt als "moralische Führungsnation" betrachtet. Es habe eine starke Wirtschaft und Macht und Möglichkeiten durch seinen Einfluss in der EU.

Nur das Militärische sei "bis heute ein Instrument, mit dem es hadert und ringt". Doch umgeben von Freunden und nach wie vor geschützt auch durch die USA solle es seine Fähigkeiten im Militärischen überdenken. "Kann es wirklich dabei bleiben, dass die USA drei Viertel der Nato finanzieren und Deutschland gerade 1,3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr ausgibt? Für die USA ist diese Last schwer zu tragen."

Harris verwies darauf, dass im Konflikt mit Russland wie im immer gefährlicher werdenden Mittleren Osten die Vereinigten Staaten nicht mehr alle Probleme und Gefahren alleine lösen könnten. "Wir haben nicht mehr die Fähigkeiten, und es sind auch nicht nur unsere Probleme allein." Ob islamistische Terroristen, zerfallende Nationalstaaten oder die Gefahren durch Atombomben wie die in Pakistan - das alles halte keine Distanz mehr, auch nicht zu Europa. All das werde "die Zukunft der Welt entscheiden", so Harris. "Kein einziges Land wird von den Konsequenzen verschont bleiben, auch nicht Deutschland."

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