Dieselskandal:Fahrer können auf Entschädigung hoffen

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Der Bundes­gerichts­hof stuft in einem "rechtlichen Hinweis" die Soft­ware­mani­pu­lationen bei Pkw als Mangel ein.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die erste höchstrichterliche Entscheidung zum Dieselskandal ist zugunsten der Autokäufer ausgefallen. Der Bundesgerichtshof (BGH) stuft die Softwaremanipulationen an Dieselmotoren juristisch als "Mangel" ein. Autokäufer, deren Ansprüche noch nicht verjährt sind, können damit ihren Wagen zurückgeben und die Lieferung eines Neufahrzeugs verlangen. Auch in einem zweiten Punkt stärkt der BGH die Käufer: Wenn das baugleiche Modell nicht mehr vertrieben wird, habe der Käufer Anspruch auf Lieferung des Nachfolgemodells.

In dem Rechtsstreit hatte der Käufer eines VW Tiguan 2.0 TDI der ersten Generation gegen den Händler geklagt, bei dem er den Wagen im Juli 2015 gekauft hatte. Die Software war wie bei Hunderttausenden Fahrzeugen manipuliert, sodass das Fahrzeug im Prüfzyklus die Abgasgrenzwerte einhielt. Der Käufer verlangte ein Neufahrzeug mit identischer Ausstattung, der Händler lehnte dies ab: Verfügbar sei lediglich der ab 2016 produzierte Tiguan der zweiten Generation, der sich technisch deutlich unterscheide. Damit sei die Erfüllung des Anspruchs "unmöglich". So sah es auch das Oberlandesgericht Bamberg und wies die Klage ab. VW beharrte in einer Stellungnahme nun, die Nachlieferung sei unzumutbar, weil der Aufwand dafür unverhältnismäßig sei.

Der BGH, der eigentlich nächste Woche über den Fall verhandeln sollte, erteilte den Beteiligten vorab einen "rechtlichen Hinweis", in dem er seine Sicht darlegte. Offenbar hat der Händler daraufhin eingelenkt, jedenfalls zog der Käufer seine Revision zurück - ein in vielen Dieselfällen übliches Prozedere, mit dem Händler und Hersteller ein Grundsatzurteil verhindern wollen. Der BGH, der sich schon seit Jahren über diese Verhinderungsstrategie ärgert, ging in die Offensive und veröffentlichte einen "rechtlichen Hinweis" - der juristisch zwar nicht bindend ist, aber in der Aussage unmissverständlich ist.

Danach geht das listige Argument des Händlers ins Leere, ein baugleicher Tiguan sei ja gar nicht mehr lieferbar. Aus Sicht des BGH hat der Händler mit dem Vertrag eine "Beschaffungspflicht" übernommen. Für seine Interessenlage seien die Kosten maßgeblich, nicht ob das gleiche Modell noch verfügbar sei. Damit muss der Händler - gegen Rückgabe des alten Diesel - das Nachfolgemodell liefern. Nur wenn der Wert der Autos weit auseinanderklafft, etwa, wenn der Wagen schon 200 000 Kilometer gelaufen wäre, könnte diese Form der Rückabwicklung unverhältnismäßig sein.

Noch wichtiger für die Masse der Diesel-Klagen: Zum ersten Mal hat das oberste Zivilgericht die Softwaremanipulation als "Mangel" eingestuft. Denn laut BGH besteht dadurch die Gefahr, dass ein solches Auto von den Behörden aus dem Verkehr gezogen wird. Das ist ein klares Signal für weitere Verfahren, auch wenn es noch nicht alle Fragen beantwortet. Denn die Masse der Klagen richtet sich nicht gegen die Händler, sondern gegen Hersteller wie VW, Mercedes oder Porsche. Für eine Haftung kommt es dort nicht auf den "Mangel" an, sondern auf eine "vorsätzliche sittenwidrige Schädigung". Allerdings sind die beiden Dinge nicht so weit von einander entfernt: Wenn ein "Mangel" vorliegt, wird man auch von einer "Schädigung" ausgehen können. In einem Verfahren gegen VW hat jüngst das Oberlandesgericht Braunschweig die Revision zugelassen, sodass auch diese Frage zum BGH gelangen dürfte.

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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