Diesel:Die magische 40

Lesezeit: 1 min

Verkehrsexperte Dudenhöffer hat Stickstoffdioxid-Messungen ausgewertet und hochgerechnet. Er prognostiziert an kritischen Stellen eine langfristige Luftbelastung.

Von Robert Probst, München

Die magische Zahl lautet 40. Gemeint ist der Jahresmittelwert von Stickstoffdioxid: Überschreitet das giftige Gas im Durchschnitt der Messungen eine Konzentration von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, dann wird es kritisch - für die Gesundheit und für die Fahrer von Dieselautos. Dem Wert kommt entscheidende Bedeutung zu, wenn es um die Verhängung von Fahrverboten für Diesel-Pkws geht. Auf zwei Straßen in Hamburg gibt es diese Verbote schon, in Stuttgart sind sie geplant - und in mehreren Städten per Gerichtsurteil angeordnet worden, darunter in Berlin und Frankfurt.

Die Politik ist sehr darauf aus, solche Verbote zu vermeiden. Sie setzt lieber auf Umweltprämien, Verschrottungsaktionen und Software-Updates, auf das Umrüsten einiger kommunaler Fahrzeuge, auf wenige Elektrobusse und Pläne für mehr Radwege. Doch was hat das alles bisher gebracht? Eine neue Auswertung der Truppe um den Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen gibt dazu erste Hinweise. Das Institut von Dudenhöffer hat in den vergangenen Wochen die Werte der online zugänglichen Messstationen in Deutschland angesehen und festgestellt, "dass bisher kaum Verbesserungen eingetreten sind". Die Studie liegt der Süddeutschen Zeitung vor. 387 Messstationen flossen in die Auswertung ein, errechnet wurden Mittelwerte für den Zeitraum Januar bis September in den Jahren 2017 und 2018. Demnach hat sich die Situation zwar an einigen Stellen leicht entschärft, doch bei Weitem nicht so, dass alsbald Entwarnung gegeben werden könnte, schreiben die Forscher um Dudenhöffer. Der Verkehrswissenschaftler hat die Ergebnisse des Dieselgipfels der Bundesregierung immer wieder scharf kritisiert.

Laut einer Hochrechnung würde es bei extrem belasteten Stellen (50 Mikrogramm pro Kubikmeter und mehr) bis ins Jahr 2025 dauern, bis der Grenzwert erreicht würde. Bei hoch belasteten Stellen (45 bis 49 Mikrogramm) immer noch bis 2022. Daraus folge: Die Grenzwerte lassen sich nur mit Fahrverboten einhalten.

Daraus zieht Dudenhöffer das Fazit: "Die Bundesregierung und das Bundesverkehrsministerium haben die Entwicklung dramatisch falsch eingeschätzt, indem sie Hardware-Nachrüstungen seit drei Jahren ausgesessen haben und stattdessen auf milde Abwrackaktionen, Software-Updates und simple Kommunalmaßnahmen gesetzt haben."

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: