Diesel-Autos:Skepsis gegenüber Fahrverbot

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Umweltministerin Hendricks stößt mit ihrem Vorschlag, Diesel-Autos aus den Städten zu verbannen, auf Kritik, auch bei ihrem Parteifreund Gabriel. Die Kommunen würden zur Unterscheidung eine neue Plakette benötigen.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Sigmar Gabriel setzt auf saubere Busse. Es gebe schon jetzt viele gute Ideen aus den Ländern, etwa den öffentlichen Nahverkehr mit mehr Elektromotoren auszustatten, sagte der SPD-Chef am Montag in Berlin. "Mit so etwas mal loszulegen, würde zeigen, wir können mehr als jedes Jahr über ein neues Verbot zu diskutieren." Rückendeckung für seine Parteifreundin Barbara Hendricks sieht anders aus.

Die Bundesumweltministerin plant ein Gesetz, mit dem Städte künftig leichter Autos aussperren können; entsprechende Pläne sind am Wochenende publik geworden. Dies soll helfen, die Luftverschmutzung in Großstädten zu senken, vor allem die Belastung mit Stickoxiden. Danach könnten Kommunen besonders umweltunfreundliche Dieselautos aussperren oder an Tagen mit besonders schlechter Luft nur bestimmte Autos fahren lassen.

Doch dem Minister für Wirtschaft fällt derzeit nur ein, warum das Fahrverbot nun gerade nicht geht. Grundsätzlich sei ja auch er dafür, die Stickoxid-Konzentration zu senken, sagt etwa Gabriel. Allerdings dürfe der Anteil der Fahrzeuge, "die bei bestimmten Konzentrationen gar nicht mehr fahren dürfen", nicht zu hoch sein. Den Stinkern soll das Fahrverbot also möglichst nicht zusetzen.

Das Bundesverkehrsministerium verfolgt eine andere Linie. Dort hatte Minister Alexander Dobrindt (CSU) schon am Wochenende ebenfalls auf die segensreiche Wirkung sauberer Busse verwiesen. Am Montag aber verlegt sich sein Haus auf angeblich bereits bestehende Regelungen. Diese erlaubten Kommunen schon jetzt, Autos mit hohem Stickoxid (NOx)-Ausstoß aus den Innenstädten herauszuhalten, sagte ein Sprecher Dobrindts.

Barbara Hendricks fehlt die Rückendeckung bei ihrem Vorstoß. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Also alles ganz einfach? Wohl nicht. So gibt es zwar ein einschlägiges Verkehrszeichen, das "Verbot für Kraftwagen". Ein bundeseinheitliches Zusatzzeichen, mit dem sich etwa Stinker unter bestimmten Bedingungen aussperren ließen, fehlt aber bisher. Dafür zuständig wäre Dobrindt.

Selbst wenn es aber ein solches Verkehrszeichen gäbe - für wen gilt dann dieses Verbot? Derzeit gibt es kein äußeres Merkmal, mit dem sich ein Diesel von einem Benziner unterscheiden lässt, geschweige denn ein Diesel mit hohen Stickoxid-Emissionen von einem solchen mit niedrigen. Teil des Vorstoßes aus dem Umweltministerium war deshalb auch die Einführung einer "blauen Plakette". Sie könnte Fahrzeuge mit geringen Emissionen kennzeichnen - sie müssten Fahrverbote dann nicht befürchten. Ältere Diesel-Fahrzeuge allerdings müssten betroffene Innenstädte meiden. In einem Wahljahr kein Thema, mit dem man sich beliebt macht. "Viele Städte stehen vor großen Problemen", sagt Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Ohne neue Plaketten seien die Kommunen aufgeschmissen. "Bei Kontrollen müsste man den Autos unter die Motorhaube schauen", so Hermann. "Uns fehlt eine Differenzierungsmöglichkeit." Derweil werden viele Städte inzwischen von Umweltschützern wegen der wiederholten Verstöße gegen EU-Umweltschutzbestimmungen verklagt. Die Deutsche Umwelthilfe hat etwa Verfahren in 16 Städten angestrengt, darunter Stuttgart, Berlin und München. In Hamburg klagt der BUND.

Mittlerweile liegt die Stickoxid-Belastung in rund 90 Städten über den Grenzwerten. Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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