Die arabische Revolution begeht ihren ersten Geburtstag. Nicht für jeden ein Grund zum Feiern - am allerwenigsten für die Monarchen auf der Arabischen Halbinsel. Denn ihnen weht seit dem Sturz des tunesischen Präsidenten Ben Ali und des ägyptischen Staatschefs Hosni Mubarak der Wind des Wandels als steife Brise entgegen: das Damoklesschwert des Volkszorns hängt auch über den Potentaten am Golf. Das hat das Beispiel Bahrain gezeigt, wo es immer wieder zu massiven Protesten gegen die politische Führung kommt. Nur eine Frage der Zeit, sagen manche, bis die "Arabellion" auch die anderen Golfstaaten erfasst.
In den meisten Golfstaaten bleibt es auch ein Jahr nach Beginn der arabischen Revolution ruhig, nur in Bahrain kommt es immer wieder zu massiven Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Im Bild: Eine Unterstützerin der Reformbewegung zeigt den Polizisten das Victory-Zeichen.
(Foto: dpa)Mag sein, dass es eines Tages so kommen könnte. Doch in der Zwischenzeit wappnen sich die Monarchien am Golf mit einer wohlkalkulierten Doppelstrategie gegen stürmische Zeiten: Im Innern setzen sie auf die Zementierung des Status quo, in den Außenbeziehungen gestalten sie die Neuordnung der Region aktiv mit. Bisher mit Erfolg, denn die so oft gestellte Frage nach dem "Who's next?", wenn es um das Kippen weiterer Regime im Diktatoren-Domino der arabischen Revolution geht, konnten alle Mitglieder des Golf-Kooperationsrates (GCC), zu dem außer Bahrain auch Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören, bislang mit einem beherzten "Not us" beantworten.
Auch wenn sie sich langfristig den Forderungen nach Veränderung nicht verschließen können: Ihnen ist es - mit Ausnahme von Bahrain - weitgehend gelungen, mit einer Mischung aus spärlich dosierten Reformen und üppigen "Beschwichtigungsgeschenken" für ihre Bürger die innere Stabilität zu wahren. Das "Prinzip Füllhorn" hat seine Wirkung nicht verfehlt.
Hinzu kommt, dass gerade die bevölkerungsarmen, aber ressourcenreichen Kleinstaaten am Golf schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren können. Bestes Beispiel dafür ist das nur 1,7 Millionen Einwohner zählende Emirat Katar, das sich binnen weniger Jahre als Sponsor des Nachrichtensenders al-Dschasira, Vermittler in regionalen Konflikten und - im Fall von Libyen und Syrien - erklärter Gegner der herrschenden Machthaber in die Oberliga der regionalen Akteure katapultiert hat.
Dass Restauration nach innen und ein wenig Revolution nach außen - zumindest das aktive Befördern der von der arabischen Revolution in Gang gesetzten Trends - kein Widerspruch sein müssen, hat das Verhalten der Golfstaaten in den vergangenen Monaten deutlich gezeigt. Gezielt unterstützen sie Kräfte des Wandels - allerdings nur solche, die mit dem politisch und gesellschaftlich konservativen Weltbild der Golf-Monarchien konform gehen. Säkulare Reformkräfte in den Transformationsstaaten Nordafrikas beklagen immer häufiger, dass sich die Geldgeber der erstarkten Salafisten, die für eine besonders strenge Auslegung des Islam eintreten, auf die Arabische Halbinsel zurückverfolgen lassen.
Keine Solidarität mit Assad
Auch in der "Causa Gaddafi" haben die GCC-Staaten von Anfang an Wandel, nicht Regimeerhalt auf ihre Fahnen geschrieben: Statt dem Obersten aus Sirte die Stange zu halten, haben sie sich schon früh für eine Flugverbotszone über Libyen ausgesprochen - und sich an deren Umsetzung aktiv beteiligt. Ebenso kann Baschar al-Assad nicht auf die Solidarität der Golf-Monarchen zählen.
Bereits im Sommer vergangenen Jahres rief König Abdullah von Saudi-Arabien den syrischen Machthaber zu Mäßigung und Reformen auf und beorderte aus Protest gegen Assads "Todesmaschine" als einer der Ersten seinen Botschafter aus Damaskus zurück. Dass hier freilich auch andere Interessen, nicht zuletzt das Aufbrechen der missliebigen syrisch-iranischen Achse, eine Rolle gespielt haben, steht außer Frage.
Trotzdem gilt: Auch das wahhabitische Königreich bedient sich der bewährten Doppelstrategie - zu Hause Restauration, draußen (ein wenig) Revolution. Und je länger die Krise in Syrien anhält, desto schärfer werden die Töne aus den Hauptstädten der Arabischen Halbinsel. Noch vor kurzem undenkbar, preschte der Emir von Katar kürzlich mit der Forderung nach einer bewaffneten Mission in Syrien vor.