Deutschland:Berlin verbietet Demonstrationen gegen Corona-Politik

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Mehrere Kund­gebungen werden wegen möglicher Hygiene-Verstöße untersagt. Die Initiatoren wollen dagegen klagen.

Von Jan Heidtmann und Claudia Henzler, Berlin/Stuttgart

Die Berliner Versammlungsbehörde hat mehrere für das Wochenende geplante Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen verboten. Michael Ballweg, Gründer der Stuttgarter Initiative "Querdenken 711", will gegen das Versammlungsverbot Klage einreichen. Der IT-Unternehmer hatte zur Großkundgebung in der Hauptstadt aufgerufen und gut 22 000 Teilnehmer angemeldet - die größte von mehreren ähnlichen Veranstaltungen, die für dieses Wochenende angemeldet sind.

Ballweg gab sich schockiert über den Beschluss. "Meine Befürchtung im April 2020, dass im Rahmen der Pandemie die Grundrechte nicht nur temporär eingeschränkt werden, hat sich bestätigt." Er kündigte an, wenn nötig bis vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen. "Diese wie andere Versammlungen von Querdenken in Berlin werden stattfinden." Zuvor hatte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) das Demonstrationsverbot begrüßt: "Das ist keine Entscheidung gegen die Versammlungsfreiheit, sondern eine Entscheidung für den Infektionsschutz."

Die Versammlungsbehörde hatte das Verbot vor allem damit erklärt, dass es begründete Befürchtungen gebe, die Demonstrationsteilnehmer würden sich bewusst über den Pandemieschutz hinwegsetzen. Anlass dafür sei das Verhalten der Anhänger von "Querdenken 711" am 1. August in Berlin gewesen. Vor einem knappen Monat hatten die Stuttgarter Menschen in ganz Deutschland für Proteste in Berlin mobilisiert und für die Teilnehmer sogar Reisebusse angemietet. Am Ende kamen rund 20 000 Menschen zu der Demonstration, von denen sich ein großer Teil nicht an den Sicherheitsabstand hielt und auch keine Masken trug. Die Polizei löste die Veranstaltung schließlich auf. Damals wie heute seien ausführliche Gespräche über den Infektionsschutz zwischen Polizei und "Querdenken 711" geführt worden, erklärte Geisel. "Die Anmelder der Versammlungen, die Anfang August in Berlin stattfanden, haben ganz bewusst die Regeln gebrochen", sagte er. "Der Staat lässt sich nicht an der Nase herumführen."

Die deutschen Sicherheitsbehörden hatten in den vergangenen Tagen vor einem Großaufgebot der rechten Szene am Wochenende gewarnt. Neben den Stuttgartern hatten führende Politiker der AfD und rechtsextreme Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung oder die NPD dazu aufgerufen, in Berlin gegen die Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus zu protestieren. Linke Gruppierungen wie die Antifa Nordost riefen zu Gegendemonstrationen auf.

Das Berliner Verwaltungsgericht werde über einen Eilantrag gegen das Versammlungsverbot kurzfristig entscheiden, sagte ein Sprecher. Sollte das Urteil nicht im Sinne der Anmelder sein, könnten diese das Oberverwaltungsgericht und schließlich das Bundesverfassungsgericht anrufen. Die Berliner Polizei erklärte, sie sei auf alle Szenarien eingestellt, "das Kräftegerüst hat Bestand": Die rund 1500 Beamten, die vor dem Verbot eingeplant waren, stünden auch weiterhin zur Verfügung.

© SZ vom 27.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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