Deutsche Post:Bitte freimachen

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"Briefmarken-Programmbeirat": Der Bundestag entsendet vier Mitglieder in einen Ausschuss, der die Motive für Sondermarken festlegt. (Foto: Jan Huebner/imago images)

Warum sich der Bundestag mit Sondermarken beschäftigt.

Von Boris Herrmann

Neulich fand im Bundestag eine Abstimmung statt, von der draußen im echten Leben kaum jemand Notiz nahm: Der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben wurde ohne Gegenstimmen in sein neues Amt gewählt. Er ist jetzt ordentliches Mitglied im "Beirat zur Auswahl von Themen für die Sonderpostwertzeichen ohne Zuschlag beim Bundesministerium der Finanzen". Kenner benutzen auch die Kurzform: Briefmarken-Programmbeirat.

Briefmarken - das war mal ein Hobby von Millionen und außerdem etwas, das man rechts oben in die Ecke kleben musste, wenn man sich mitteilen wollte. Inzwischen hat das Postwertzeichen auf der emotionalen wie auf der funktionalen Ebene an Bedeutung eingebüßt. Aber die Auswahl der Motive ist immer noch ein komplexer politischer Prozess. Das macht nicht etwa die Post. Das teilen sich Exekutive und Legislative in einem mit viel Liebe zum Detail geregelten Verfahren.

Die Ausgabe von Briefmarken gehört zu den Obliegenheiten des Finanzministeriums (BMF). Dort existiert ein eigenes Referat namens "LB5 Postwertzeichen" mit acht Arbeitskräften, in dem jährlich etwa 500 Motivvorschläge aus der Bevölkerung eingehen. Der Bundestag entsendet vier gewählte Vertreter (sowie vier Stellvertreter) in den Programmbeirat, um das Ministerium bei der Themenauswahl zu unterstützen. Jens Zimmermann, der sich in Diensten der SPD mit Briefmarken befasst, spricht von einem "Mini-Ehrenamt am Rande". Die FDP nimmt es immerhin so wichtig, dass sie im September 2022 eine Nachwahl im Plenum beantragte, um ihr Beiratsmitglied Till Mansmann durch den Fraktionskollegen Houben zu ersetzen. Houben interessiere sich einfach mehr für Briefmarken, sagt Mansmann.

Der Programmbeirat ist nicht zu verwechseln mit dem Briefmarken-Kunstbeirat, der mit seiner grafischen Expertise erst tätig wird, wenn die Programmbeiräte die Inhalte ausgewählt haben. Für die Produktionsreihe des Jahres 2022 einigten sich die politischen Sachverständigen etwa auf Sepp Herberger, Benjamin Blümchen, den Dachs sowie auf die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Für die Gestaltungsphase stehen nach Auskunft des BMF "ca. 100 Grafiker zur Verfügung". Die FPD hat sich (als sie noch in der Opposition und ihr Parteichef Christian Lindner noch nicht Finanzminister war) in einer Kleinen Anfrage mal erkundigt, was der ganze Spaß eigentlich kostet. Die Antwort: jährlich rund eine Million Euro für Gestaltung und Motivauswahlprozess, die Personalkosten im Finanzministerium nicht mitgerechnet.

Die CDU-Programmbeirätin Ingeborg Gräßle sagt: "Man muss sich schon überlegen, ob der Aufwand noch angemessen ist." Sie denke da nicht zuletzt an die jährliche "Vernichtung der beträchtlichen Restbestände" von nicht genutzten Briefmarken. Im Finanzministerium tue man so, als habe sich die Welt nicht verändert, sagt Gräßle.

Der Programmbeirat will sich Mitte November wieder treffen, um die Postwertzeichen für das Jahr 2024 zu bestimmen. Unter anderem soll sich die Stadt Siegen um eine Sondermarke anlässlich ihrer 800-Jahr-Feier bemühen. Einsendeschluss für Gegenvorschläge ist der 15. Oktober.

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