Deutsch-türkisches Verhältnis:Gabriels versöhnlicher Fingerzeig

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  • In Berlin ist Bundesaußenminister Gabriel mit seinem türkischen Amtskollegen Çavuşoğlu zusammengekommen.
  • Beide bemühten sich, weiter Zeichen der Entspannung zu senden.
  • Gabriel signalisierte, dass Deutschland seine Reisehinweise für die Türkei bald abschwächen könnte.

Von Mike Szymanski, Berlin

Im vergangenen Sommer war Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) noch der Meinung, man könne nicht "mit gutem Gewissen" in die Türkei reisen. Niemand sei vor "willkürlichen Verhaftungen" sicher. Damals saß mit dem Welt-Korrespondenten Deniz Yücel ein knappes Dutzend Deutscher aus politischen Gründen dort in Haft. Nur als offizielle Reisewarnung wollte der Minister seine Worte hinterher nicht verstanden wissen, dies hätte gravierende Auswirkungen für die Tourismusbranche gehabt.

Gabriel überraschte damals aber mit seinem forschen Auftreten. Und an diesem Dienstag, unmittelbar vor dem Start der Reisemesse ITB, tut Gabriel in Berlin das wieder. Wenn man so will, dann hat er dieses Mal eine Art persönliche Reiseempfehlung ausgesprochen. "Die Türkei ist - das kann ich Ihnen aus eigener Anschauung sagen - eines der schönsten Länder der Erde", sagte Gabriel. Er tat dies an der Seite des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu, der die ITB besuchen will. Die Deutschen würden sich zudem "nur in begrenztem Zeitabstand davon abhalten lassen", das Land zu besuchen.

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Eines der schönsten Länder der Welt also. Im Moment befindet sich die Türkei gerade im Krieg gegen den Terror. So jedenfalls will Çavuşoğlu den Einsatz seiner Soldaten und Panzer auf nordsyrischem Boden verstanden wissen. Immer noch führt Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan das Land im Ausnahmezustand. Vier Deutsche befinden sich weiterhin aus politischen Gründen in türkischer Haft. Führende Oppositionelle sitzen im Gefängnis.

Für Gabriel sind das Punkte, über die er an diesem Tag mit Çavuşoğlu reden möchte. Er zeigt sich optimistisch: "Die Türkei wird ja nach und nach auch wieder zu ganz normalen Verhältnissen zurückkehren wollen." Das werde sich dann auch "im Laufe der Zeit" bei den Reisehinweisen widerspiegeln. Deren Bedeutung spielt der Minister vor seinem Gast sogar herunter. Nicht allein an den Einschätzungen des Auswärtigen Amtes würden die Deutschen schließlich entscheiden, wo sie Urlaub machten.

Der Fall Yücel war ein großes Hindernis

Zuletzt hatte Sigmar Gabriel seinen türkischen Amtskollegen bei der Sicherheitskonferenz in München getroffen. Just am Auftakttag hatte die türkische Justiz Deniz Yücel nach einem Jahr aus der Haft entlassen, Gabriel beherrschte mit dieser Nachricht die Bühne. Hinter den Kulissen hatte sich Gabriel seit Monaten bei der türkischen Regierung und bei Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan für Yücel eingesetzt. Der Fall galt als größtes Hindernis, um das Verhältnis zwischen Ankara und Berlin wieder zu entspannen. Seither steht aber auch die Frage im Raum, ob es dafür politische Gegenleistungen gab. Gabriel verneint das.

Gabriel und Çavuşoğlu bemühten sich am Dienstag, das neue Miteinander nicht eintrüben zu lassen. Ankara verlangt die Auslieferung des syrischen Kurdenpolitikers Salih Muslim, den die Türkei als Terroristen einstuft. Am Samstag war er in Berlin bei einer Demo aufgetreten. Gabriel sicherte seinem Amtskollegen - "wie immer" - ein Vorgehen nach "rechtsstaatlichem Verfahren" zu. Çavuşoğlu vermied es, den Fall - zumindest vor Kameras - zum zentralen Anliegen zu machen. Seinen Wunsch nach überarbeiteten Reisehinweisen formulierte er nicht als Forderung, sondern als "persönliche Bitte" an den "Freund" Gabriel.

© SZ vom 07.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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