Deutsch-israelische Beziehungen:Flügel an Flügel

Lesezeit: 2 min

Erstmals brechen israelische Kampfjets zu einer Übung nach Deutschland auf. Für beide Seiten ist das historisch.

Von Peter Münch

Nicht einmal vier Stunden dauert der Flug mit einem F-16-Kampfjet von Israel nach Deutschland, die Betankung in der Luft ist da schon eingeschlossen. Doch wenn sich Anfang nächster Woche zum ersten Mal überhaupt Maschinen der israelischen Airforce zu einer gemeinsamen Übung mit der deutschen Luftwaffe auf den Weg übers Mittelmeer machen, dann sind nicht nur gut 3000 Kilometer Luftlinie, sondern auch die Gräben der Geschichte zu überwinden. "Für mich ist das sehr emotional, als israelischer Armeepilot nach Deutschland zu fliegen", sagt Major O., den man nicht mit vollem Namen nennen soll, zur Süddeutschen Zeitung.

Kooperationen zwischen der Bundeswehr und den israelischen Streitkräften werden seit Langem gepflegt und ausgebaut. Auch gemeinsame Luftwaffenübungen hat es schon 2017 und 2019 gegeben - allerdings immer nur in Israel über den Weiten der Negev-Wüste. Nun aber landen zum ersten Mal die Jets der israelischen Luftwaffe auf deutschem Boden. "Historisch" wird das zu Recht auf beiden Seiten genannt. Denn 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust ist dies nicht nur ein Zeichen gewachsener Verbundenheit zwischen beiden Ländern. Es ist auch ein Zeichen der Wehrhaftigkeit und Stärke, das die Israelis damit im Land der Täter setzen - und dies prägt auch das Programm.

Stationiert sein werden die Angehörigen des israelischen Geschwaders auf dem nordrhein-westfälischen Fliegerhorst Nörvenich. Doch von dort aus machen sie sich am Dienstag zu einem symbolträchtigen Flug Richtung Süden auf: Vorneweg fliegt ein israelischer Learjet, in dem die Luftwaffenchefs der beiden Länder sitzen, der israelische Generalmajor Amikam Norkin und der deutsche Generalleutnant Ingo Gerhartz. Flankiert wird ihre Maschine von zwei deutschen Eurofightern und zwei israelischen F-16. In dieser Formation überfliegen sie zum Gedenken an das Olympia-Attentat von 1972 zunächst den Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Dort waren beim furchtbar missglückten Einsatz deutscher Sicherheitskräfte neun der insgesamt elf israelischen Opfer zu Tode gekommen. Danach geht es Flügel an Flügel weiter über Dachau, wo später eine Gedenkzeremonie im ehemaligen Konzentrationslager abgehalten wird. "Für uns ist es sehr wichtig, an all die zu erinnern, die dort ermordet wurden", sagt Major O. "Doch es ist auch eine Botschaft für die Zukunft. Es gibt eine enge Beziehung zwischen Deutschland und Israel, und wir machen sie stärker durch solche Übungen."

Der Flug über Dachau zeigt aber auch, wie kompliziert das gemeinsame Erinnern ist. In Israel steht dieser Flug in einer Reihe mit einem berühmt gewordenen Ereignis aus dem Jahr 2003, als bei einer Gedenkfeier aus den Wolken über Auschwitz israelische Kampfjets im Tiefflug auftauchten. Die Botschaft lautete: "Nie wieder" - im Sinne von nie wieder ausgeliefert sein. Doch während Israels Luftwaffe einen "Überflug" über Dachau ankündigt, spricht die deutsche Seite lediglich von einem "Vorbeiflug". Deutsche Kampfjets direkt über dem KZ-Gelände soll es nicht geben. Das verbietet das deutsche "Nie wieder".

© SZ vom 14.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: