Demonstrationen:Verhärtete Fronten in Kiew

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Kiew (dpa) - Nach den blutigen Straßenschlachten in Kiew haben sich prowestliche Opposition und russlandtreue Staatsführung gegenseitig die Schuld an der Zuspitzung der Lage gegeben.

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Kiew (dpa) - Nach den blutigen Straßenschlachten in Kiew haben sich prowestliche Opposition und russlandtreue Staatsführung gegenseitig die Schuld an der Zuspitzung der Lage gegeben.

Präsident Viktor Janukowitsch habe kein Interesse an einer Lösung der innenpolitischen Krise, sagte Oppositionspolitiker Vitali Klitschko am Dienstag. „Seit zwei Tagen brennt das Zentrum von Kiew, aber der Präsident sitzt zwei Ecken weiter und merkt es nicht“, betonte der Ex-Boxweltmeister.

Anders als erwartet traf sich Klitschko nicht zu neuen Krisengesprächen mit Janukowitsch. Der Chef des Nationalen Sicherheitsrates, Andrej Kljujew, warf Klitschko vor, aus den Verhandlungen auszusteigen. Dies wies der 42-Jährige vehement zurück.

In Moskau gab der russische Außenminister Sergej Lawrow dem Westen eine Mitschuld an den Gewaltexzessen. Mit ihrer Teilnahme an den Straßenprotesten versuchten Politiker westlicher Länder, Gewalt zu provozieren. Nur ein Dialog und keine Einmischung von außen könne die Lage beruhigen, sagte Lawrow.

Nahe dem Parlament in Kiew standen am Dienstag weiterhin Hunderte Regierungsgegner einem massiven Aufgebot der Sicherheitskräfte gegenüber. Die maskierten und mit Holzknüppeln bewaffneten Demonstranten verstärkten ihre Barrikaden. In der Nacht hatten Demonstranten erneut Steine und Brandsätze auf die Sicherheitskräfte geschleudert. Mindestens 50 Demonstranten seien festgenommen worden, teilte das Innenministerium am Dienstag mit. Ihnen droht jahrelange Haft wegen „Teilnahme an Massenunruhen“.

Klitschko räumte in der „Bild“-Zeitung ein, dass die Opposition „die Bewegung nicht mehr unter Kontrolle“ habe. Schuld daran sei die Regierung von Janukowitsch, der acht Wochen lang nicht darauf gehört habe, was Hunderttausende Menschen von ihm friedlich gefordert hätten. „Wenn Janukowitsch mit seinen Repressalien so weitermacht, würde es mich nicht wundern, wenn es bald Tote zu beklagen gibt.“

Kritik der EU und der Bundesregierung am verschärften Demonstrationsrecht in der Ex-Sowjetrepublik wies die ukrainische Regierung zurück. Ähnliche Gesetze seien zum Beispiel auch in Deutschland in Kraft, sagte Justizministerin Jelena Lukasch. „Alle Verfügungen entsprechen europäischen Normen“, betonte sie. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte einige der Gesetze als „respektlos gegenüber demokratischen Prinzipien“ kritisiert. So drohen Regierungsgegnern bei Blockaden von Verwaltungsgebäuden nun bis zu fünf Jahre Haft.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich besorgt über die Ausschreitungen und rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Stefan Füle kündigte für diesen Freitag und Samstag Gespräche in Kiew mit Regierung und Opposition an. Die Regierungsgegner fordern vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen sowie die Rücknahme des verschärften Demonstrationsrechts. Die Gesetze treten an diesem Mittwoch in Kraft.

Klitschko warf der Führung um Janukowitsch vor, sie wolle die Situation destabilisieren und Chaos schaffen. „Schläger wurden in die Hauptstadt gebracht, um Autos anzuzünden, Schaufenster einzuschlagen, zu stehlen und Schlägereien zu provozieren“, behauptete der 42-Jährige. Er habe persönlich zwei Provokateure gestellt.

Aufmunterung kam von Arnold Schwarzenegger. Er wünsche seinem „Freund Vitali“ Erfolg beim Kampf für Demokratie, twitterte der Schauspieler.

Bei den Straßenschlachten waren nach Angaben der Opposition seit Montag mehr als 1400 Demonstranten verletzt worden. Zumeist seien es Verletzungen an Gesicht, Armen und Beinen durch Gummigeschosse und Splitter von Tränengasgranaten, sagte Oleg Mussi vom medizinischen Dienst der Demonstranten. Aus Angst vor Strafverfolgung hätten fast alle Verletzten eine Behandlung in staatlichen Kliniken verweigert.

Das Innenministerium berichtete von mindestens 163 verletzten Sicherheitskräften. 80 Beamte würden noch in Kliniken behandelt.

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